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Weniger Rauchverbot, dafür mehr Eigenverantwortung

Wenn am Mittwoch der Grosse Rat in seine Augustsession startet, wird er auch über die Totalrevision des Gesundheitsgesetzes diskutieren. Dabei geht es vor allem auch um den Schutz vor Passivrauchen.

Südostschweiz
30.08.16 - 10:04 Uhr
Politik

von Denise Erni

Rund 75 Prozent des Bündner Stimmvolkes sprachen sich Ende November 2007 für ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Gastronomiebetrieben aus. Ausgenommen waren bediente Fumoirs. Nun hat die Vorberatungskommission des Grosses Rates, die Kommission für Gesundheit und Soziales, mit 5:3 Stimmen beschlossen, diesen Volksentscheid umzustossen. Sie empfiehlt bei der Totalrevision des Gesundheitsgesetzes, das voraussichtlich am Donnerstag im Parlament behandelt wird, den entsprechenden Artikel im Gesetz zu streichen. Raucherlokale wären dann zugelassen, wenn sie höchstens eine Gesamtfläche von 80 Quadratmetern aufweisen, eine gute Lüftung haben, gut als Raucherlokal erkennbar sind und wenn das Servicepersonal im Vertrag zugestimmt hat, in einem Raucherlokal zu arbeiten. Das Bündner Gesetz wäre damit gleichauf mit dem Gesetz des Bundes.

Situation sei akzeptiert

Doch schon bevor das Gesetz im Rat diskutiert wird, machte sich Widerstand breit. Vor allem bei den verschiedenen Gesundheitsorganisationen des Kantons, die sich mit Briefen an die Mitglieder der Grossen Rates gewandt haben.

So schreibt die Lungenliga Graubünden, dass das Einführen von Raucherlokalen nebst der Bevölkerung insbesondere das Personal erneut ungefragt dem Zigarettenrauch aussetzen würde, der über 50 krebserregende Stoffe enthält und dem Herz-Kreislauf-System schadet. Dabei zeigt laut Lungenliga Graubünden eine Studie des Kantonsspitals Graubünden bei Herzinfarkten bereits innerhalb eines Jahres nach der Einführung der neuen gesetzlichen Regelung eine beachtenswerte Reduktion der Ereignisse um 22 Prozent. Im Vergleichskanton Luzern, der keinen Passivrauchschutz hat, stiegen die Zahlen weiter an. «Diese Studien haben gezeigt, wie wichtig der Schutz vor Passivrauchen ist», sagte Clelia Meyer Persili, Präsidentin Lungenliga Graubünden, auf Anfrage. «Und gerade in der Gastronomiebranche lässt es der Arbeitsmarkt oftmals nicht zu, zu wählen, ob man in einem Raucher- oder Nichtraucherlokal einen Job annehmen will.» Die Situation heute, so wie sie ist, sei akzeptiert. «Man sollte etwas, das sich bewährt hat, nicht einfach umstossen», sagte Meyer Persili.

Kanton als Vorbild

Und auch die Krebsliga Graubünden wandte sich in den letzten Tagen mit einem Brief an die Grossrätinnen und Grossräte. Darin schreibt sie, dass der Nichtraucherschutz des Bundesgesetzes eine Auflockerung des Rauchverbotes beinhalte. Diese Option sei aus Sicht der Krebsliga ein Rückschritt und entspreche nicht dem Entscheid der Bündner Bevölkerung. Der Kanton Graubünden sollte in diesem Fall (s)eine gesunde Rolle und Vorbild-Funktion beibehalten und den Absatz 3 des Artikels 10 nicht aus dem Gesundheitsgesetz streichen.

Nicht alles im Gesetz regeln

Anna-Margreth Holzinger-Loretz sitzt im Vorstand der Krebsliga Graubünden und für die FDP im Grossen Rat. Ebenso ist sie Mitglied in der Kommission für Gesundheit und Soziales. Und sie gehört zur Mehrheit, welche die Streichung von Absatz 3 in Artikel 10 empfehlen. Hatte sie da keinen Interessenskonflikt? «Doch, diesen gibt es immer wieder einmal», sagte Holzinger-Loretz auf Anfrage. «Es ist ein Abwägen von Fakten.» Die Arbeit im Vorstand der Krebsliga schätze sie sehr und sei ihr sehr wichtig. Warum stimmt sie dann für die Streichung des von Absatz 3? «Weil man meiner Meinung nach nicht alles im Gesetz regeln sollte», sagte sie. «Man muss auch etwas an die Eigenverantwortung appellieren.» Jeder könne schliesslich selber entscheiden, ob er in einem Raucherlokal arbeiten wolle oder nicht. «Das Bewusstsein der Eigenverantwortung ist für mich der ausschlaggebende Punkt», sagte Holzinger-Loretz.

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