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Den Bündner Konservativen fehlt die politische Alternative

Linientreue Sozialdemokraten, klar positionierte SVP-Politiker, die grosse Mitte – und die Leere: Die Kandidaten für die fünf Nationalratssitze decken das Spektrum nicht ganz ab. Eine Analyse.

Südostschweiz
23.09.15 - 19:53 Uhr
Politik

von Reto Furter
Realisation Karte: Petar Marjanovic

In dreieinhalb Wochen ist es so weit. Die Bündner Stimmberechtigten besetzen ihre fünf Nationalratssitze für die nächsten vier Jahre neu. Zur Wahl stehen 70 Kandidatinnen und Kandidaten auf 15 Listen, von links bis rechts. Abgesehen vom Davoser Luca Heinrich, der als einziger Bündner für die Patriotisch Liberalen Demokraten antritt, hoffen die Kandidaten, unter den Fittichen von arrivierten Parteien (oder ihren Jungpartnern) nach Bern gewählt zu werden. 

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Doch wo stehen die Kandidaten? Sind sie liberal geprägt – oder wertkonservativ? Stehen sie links, rechts oder in der Mitte? Sind sie treu auf der Linie ihrer Partei – oder stehen sie als Querdenker abseits? Das zeigt die Übersichtskarte von Smartvote, basierend auf den Antworten der Kandidaten und den daraus berechneten Smartspider-Darstellungen.

Linke Linke

Der Arm der Sozialdemokraten und der Grünliberalen reicht am weitesten. Keine andere Partei schafft es, ihre Kandidaten an einer ähnlichen straffen Leine zu führen. Die Positionen der Kandidaten der SP und der Juso sind beinahe deckungsgleich und am linken Rand, Abweichler gibt es keine. Mittendrin: die Bisherige Silva Semadeni und Parteipräsident Jon Pult. 

Das Gleiche gilt für die fünf Kandidaten der Grünliberalen um den Bisherigen Josias F. Gasser. Sie sind sehr geschlossen positioniert, erwartungsgemäss wirtschaftsfreundlicher und weniger links als die Sozialdemokraten, wie die Auswertungen zeigen. Mit ihrer Listenverbindung bestätigen die Parteien, was sie auch gar nicht verhehlen: Es handelt sich bei der Wahlverbindung um eine mathematisch begründete Allianz, um die Stimmen im links-liberalen Sektor bestmöglich für sich gewinnen zu können. Inhaltliche Überschneidungen gibt es in Einzelfragen, aber nicht bei der politischen Platzierung der Kandidaten.

Überlappende Mitte

Anders als bei SP und GLP sind die inhaltlichen Grenzen bei den Bündner Mitteparteien, die bei den aktuellen Wahlen mit einer bürgerlichen Listenverbindung antreten, kaum abgesteckt. Die Positionen der BDP, CVP und FDP überlappen sich – zumindest zeigen das die Kandidaten der drei Parteien. Die grösste Bandbreite belegt dabei die BDP: von Positionen links der gesamten BDP bis zu solchen rechts von einzelnen SVP-Kandidaten gibt es bei ihr alles. BDP-Spitzenkandidat Duri Campell politisiert genau in der Mitte, Kandidat Andreas Felix stärker rechts, dafür weniger liberal. 

Ein klareres Profil als die BDP haben sowohl die CVP – mit dem Bisherigen Martin Candinas – als auch die FDP, die mit den beiden Spitzenkandidaten Hans Peter Michel vom linken Flügel und Angela Casanova-Maron auf der rechten Seite antreten. Die drei Parteien decken die politische liberale Mitte insgesamt flächendeckend ab, eine zum Teil eigenständige Positionierung haben lediglich die Kandidaten der FDP, die insgesamt für eine liberalere Politik einstehen als ihre Mitkandidaten in der Mitte. 

Rechtskonservative SVP

Unbedrängt von der politischen Mitte sind die Positionen der SVP-Kandidaten: mit wenigen Ausweichlern rechts der Mitteparteien, ebenfalls mit wenigen Ausweichlern konservativer als alle anderen Kandidaten. Exemplarisch dafür steht der Bisherige Heinz Brand. Weder seitens der BDP, von der sich die Bündner SVP 2008 abspaltete, noch seitens der FDP erwächst der SVP im rechtskonservativen Raum relevante Konkurrenz – das gilt umgekehrt allerdings auch für den Freisinn: Die wirtschaftsfreundliche Positionierung macht ihm die SVP in Graubünden nicht streitig, mit einer Ausnahme: Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher. Sie kann es in Sachen Liberalismus mit der FDP knapp aufnehmen. 

Konservative neben den Blöcken

Keine politische Heimat finden im Kanton – erstaunlicherweise – gemässigte Konservative. Weder CVP noch BDP bemühen sich mit entsprechend positionierten Kandidaten um sie, ebenso wenig die Linke, die, wenn auch nicht ausgeprägt, liberale Positionen den konservativen vorzieht.

Die Bündner Politlandschaft könnte – gemessen an den Positionen der Kandidaten, welche mit jenen der Parteien nicht deckungsgleich sein müssen – einen Hinweis auf die Zukunft geben. Schwächeln BDP und CVP weiter, öffnet das eine Flanke für eine landesweite Union, wie das vor wenigen Tagen der Bündner CVP-Präsident Stefan Engler propagierte (Ausgabe vom Freitag). Sollten auch die Bündner Mitteparteien, allenfalls verstärkt durch die BDP, den Zusammenschluss wagen, würden sie ein starkes politisches Zentrum bilden, ergänzt von der liberaleren FDP – und klar abgegrenzt von der SP und der SVP.

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