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Nachrichtendienst will mehr überwachen

Telefone abhören, Räume verwanzen: Im Ständerat steht diese Woche das Nachrichtendienstgesetz an. Er dürfte den neuen Überwachungsmöglichkeiten wie der Nationalrat zustimmen. Offen ist, ob dafür die Kontrolle verstärkt wird. Die Gegner würde das kaum besänftigen.

Südostschweiz
08.06.15 - 10:14 Uhr
Politik

Der Nationalrat hatte das neue Gesetz im Frühjahr ohne wesentliche Änderungen gutgeheissen: Nach seinem Willen soll der Nachrichtendienst Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen dürfen.

Dem hat auch die vorberatende Ständeratskommission zugestimmt. Für sie steht ausser Frage, dass der Nachrichtendienst mehr Kompetenzen braucht. In den Details beantragt die Kommission jedoch Änderungen. So soll etwa klarer geregelt werden, wann Personendaten an inländische und ausländische Behörden weitergegeben werden.

Signale aus Internetkabeln erfassen

Vor allem aber will die Kommission die Überwacher stärker überwachen. Sie schlägt die Schaffung einer unabhängigen nachrichtendienstlichen Aufsichtsinstanz vor, die nur administrativ dem Verteidigungsdepartement zugeordnet ist. Diese soll prüfen, ob der Nachrichtendienst rechtmässig, zweckmässig und wirksam handelt.

Kontrolliert werden soll auch die Kabelaufklärung. Nach dem neuen Gesetz wäre es dem Nachrichtendienst nämlich erlaubt, grenzüberschreitende Signale aus Internetkabeln zu erfassen. Damit könnte ins Visier des Nachrichtendienstes geraten, wer bestimmte Begriffe googelt oder in E-Mails erwähnt.

Aufruf ans Parlament

Der Ständerat wird am Donnerstag entscheiden, ob er die Aufsicht über den Nachrichtendienst ausbauen will. Für jene, die präventive Überwachung grundsätzlich ablehnen, wäre dies allerdings lediglich eine kosmetische Massnahme.

Die Digitale Gesellschaft, Amnesty International und die Stiftung für Konsumentenschutz bleiben auf Widerstandskurs. In einem offenen Brief rufen sie die eidgenössischen Räte auf, sich gegen die Kabelaufklärung auszusprechen. Sie sprechen von einer präventiven Massenüberwachung, die einen unverhältnismässigen Eingriff in die Grundrechte darstelle.

Schutz der Privatsphäre

Zwei Jahre nach den Enthüllungen von Edward Snowden zum "unfassbaren Ausmass der globalen Überwachung durch westliche Geheimdienste" sei eine Diskussion über den Schutz der Privatsphäre dringend nötig, schreiben die Organisationen.

Sie wenden sich nicht nur gegen neue Kompetenzen für den Nachrichtendienst, sondern auch gegen den Ausbau der Überwachungsmöglichkeiten im Rahmen von Strafverfahren. Dieser steht gegen Ende der Session im Nationalrat zur Debatte.

Daten auf Vorrat speichern

Bei der Revision des Gesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) geht es unter anderem um die Frage, ob die Fernmeldeanbieter künftig die Randdaten länger speichern müssen. Diese geben Auskunft darüber, wer wann mit wem wie lange telefoniert hat.

Heute werden die Randdaten sechs Monate lang aufbewahrt. Künftig sollen die Strafverfolgungsbehörden auch nach zwölf Monaten noch darauf zugreifen können. Damit befinde sich die Schweiz "auf Kollisionskurs zur internationalen Rechtssprechung", kritisieren die Gegner.

Urteil des Europäischen Gerichtshofes

Seit 2010 haben die Verfassungsgerichte in sechs europäischen Ländern Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung als unrechtmässigen Eingriff in die Grundrechte eingestuft und aufgehoben. Im vergangenen Jahr wurde die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom Europäischen Gerichtshof ausser Kraft gesetzt.

Aus Sicht des Bundesrats tangiert das Urteil aber die Schweizer Regeln nicht. Das Gericht begründe sein Urteil damit, dass sich die Eingriffe in die Grundrechte mit der EU-Richtlinie nicht auf das absolut Notwendige beschränkten, schrieb er in seiner Antwort auf einen Vorstoss

Verhältnismässigkeit gewahrt

In der Schweiz wird nach Auffassung des Bundesrats die Verhältnismässigkeit gewahrt, da die gespeicherten Daten den Strafverfolgungsbehörden nur dann geliefert werden dürfen, wenn ein dringender Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat vorliegt und ein Zwangsmassnahmengericht dies genehmigt hat.

Die Digitale Gesellschaft, Amnesty International und die Stiftung für Konsumentenschutz lassen diese Argumentation nicht gelten. Sie warnen, dass die gespeicherten Randdaten mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz auch dem Nachrichtendienst zur Verfügung stünden.

Referenden angekündigt

Zu reden gibt neben der Vorratsdatenspeicherung die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden Trojaner in Computer einschleusen dürfen, um Skype-Gespräche mithören zu können. Die vorberatende Nationalratskommission will dies zulassen, aber - ähnlich wie die Ständeratskommission beim Nachrichtendienstgesetz - die Regeln verschärfen.

Am Ende könnte das Volk über all diese Fragen entscheiden: Sowohl beim Nachrichtendienstgesetz als auch beim BÜPF drohen die Gegner mit dem Referendum.

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