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«Wir wollen Junge anlocken und Kunst verständlich machen»

Simone Kobler und Céline Gaillard übernehmen die Leitung des Kunstzeughauses in Rapperswil. Sie wollen das Haus besser in der Stadt verankern und mit anderen Kulturhäusern zusammenarbeiten.

26.10.18 - 16:52 Uhr
Kultur
Céline Gaillard (links) und Simone Kobler leiten ab dem neuen Jahr das Kunstzeughaus.
Céline Gaillard (links) und Simone Kobler leiten ab dem neuen Jahr das Kunstzeughaus.
BILD JÉRÔME STERN

Ab dem 1. Januar hat das Kunstzeughaus ein Leitungsduo: Céline Gaillard und Simone Kobler treten gemeinsam die Nachfolge von Peter Stohler an. Im Gespräch mit der «Linth-Zeitung» sprechen sie über ihre Ziele und wie sie das Haus aus dem Dunstkreis des Elitären und aus dem Dornröschenschlaf befreien wollen.

Céline Gaillard, das Kunstzeughaus ist ein Haifischbecken. Wie springen Sie ins kalte Wasser?

Céline Gaillard: Wir empfinden das Kunstzeughaus überhaupt nicht als Haifischbecken und die Anstellung auch nicht als Sprung ins kalte Wasser. Die neue Aufgabe treten wir mit grossem Respekt und viel Elan an. Und da wir zu zweit sind, haben wir doppelte Mittel und doppelte Netzwerke. Es ist toll, dass wir als Co-Leitung das Haus führen dürfen. Die Stiftung Kunstzeughaus ist sehr visionär mit der Möglichkeit dieser Co-Leitung: Sie ist ideal für Menschen in Familienstrukturen, aber das ist nur ein Vorteil von vielen, die diese Form mit sich bringt.

«Das Kunstzeughaus ist nicht ein Haifischbecken, unsere Anstellung kein Sprung ins kalte Wasser.»

Céline Gaillard

Simone Kobler, sind Sie denn durch das Bewerbungsverfahren schicksalhaft in diese Leitung zusammengewürfelt worden?

Simone Kobler: Nein, ganz im Gegenteil. Die Ausschreibung stand ausdrücklich auch Leitungsduos offen, und wir haben uns als solches gemeinsam beworben. Wir haben uns im Studium an der Uni Zürich kennengelernt und schnell gemerkt, dass wir uns für dieselben kunstgeschichtlichen Themen interessieren. So ist es auch dazu gekommen, dass wir zusammen ein Buch über den Bergeller Maler und Bildhauer Piero Del Bondio realisiert haben, das demnächst erscheinen wird. Aufgrund unseres gemeinsamen Interesses an Kunst haben wir uns häufig getroffen, um Ausstellungen zu besuchen, so auch im Kunstzeughaus.

«Wir wollen Kunst vermitteln und in jedem Fall auch ein Publikum ins Haus locken, das weniger kunstaffin ist.»
Simone Kobler

Die Eintrittszahlen im Kunstzeughaus sind nicht berauschend. Wie wollen Sie erreichen, dass mehr Besucher ins Haus strömen?

Gaillard: Die Eintrittszahlen haben sich in den letzten Jahren laufend verbessert. Trotzdem wollen wir unser Angebot auf die ganze Bevölkerung ausrichten und generationsspezifische Programme durchführen: Gerade bei jungen Leuten gibt es einen grossen Nachholbedarf, diese ins Haus zu locken, indem wir etwa Konzerte mit Ausstellungen kombinieren. Eine andere Möglichkeit ist die Zusammenarbeit mit Vereinen. Wenn es vom Ausstellungsthema her passt, zum Beispiel mit solchen, die sich um fremde Länder, um fremde Kulturen drehen. Kunst und exotisches Essen gemeinsam geniessen, wäre eine Möglichkeit. Zudem wollen wir weiterhin Tage mit Gratiseintritten anbieten, obwohl der Eintrittspreis sicher nicht match-entscheidend ist.

Das Kunstzeughaus wird im Volk oftmals als etwas Elitäres betrachtet. Die Leute verstehen nicht, was präsentiert wird. Wie wollen Sie da Gegensteuer geben?

Kobler: Gegenwartskunst bedarf eines Angebots der Vermittlung. Wir wollen in jedem Fall auch ein Publikum ins Haus locken, das weniger kunstaffin ist. Wir hoffen, dass wir es schaffen, Kunst zu erklären und zu vermitteln, interdisziplinär zu arbeiten. Schweizer Gegenwartskunst verfügt über eine grosse Bandbreite. Sie beinhaltet zum Beispiel auch Lichtinstallationen und Videos.

Wie würden Sie Ihr zukünftiges Programm beschreiben?

Gaillard: Das konkrete Programm werden wir wohl auch intern erst im Frühling besprechen. Was wir jetzt schon sagen können: Wir werden unter anderem auch thematische Ausstellungen präsentieren, die gesellschaftsrelevant und politisch sind und zum Nachdenken anregen. Kunst soll Betroffenheit auslösen. Unsere Erfahrung hat uns ausserdem gezeigt, dass es durchaus auch mit bescheidenen Mitteln möglich ist, bekannte Schweizer Künstler zu zeigen.

«Wir werden thematische Ausstellungen präsentieren, die politisch sind und zum Nachdenken anregen.»
Céline Gaillard

Welche Vorstellungen haben Sie bezüglich Finanzierung des Hauses?

Kobler: Wir hoffen, dass sich die Zusammenarbeit mit Stadt und Kanton weiterhin positiv entwickelt und dass wie bislang dank Fundraising und Unterstützung von Stiftungen grössere Beträge für spezifische Projekte möglich sein werden.

Wie könnte das Kunstzeughaus stärker in der Stadt verankert werden?

Gaillard: Wir wollen unter anderem gemeinsam mit den anderen Kulturhäusern der Stadt zusammenarbeiten. Zum Beispiel wäre es denkbar, bei einer thematischen Ausstellung das Stadtmuseum mit ins Boot zu holen. Möglich wären sicherlich auch gemeinsame Auftritte auf öffentlichen Plätzen. Wenn wir uns gemeinsam mit den anderen Häusern im öffentlichen Raum zeigen, dient dies sicherlich der Verwurzelung und der Ortsgebundenheit des Kunstzeughauses.

Was machen Sie, falls wider Erwarten die Beiträge gekürzt werden?

Gaillard: Wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass die Beiträge gekürzt werden sollten. Falls wider Erwarten die Beiträge doch gekürzt würden, wäre das natürlich sehr schade. Da müssten wir dann möglichst flexibel darauf reagieren.

«Wir wollen die Beziehung der lokalen Bevölkerung von Rapperswil-Jona zum Kunstzeughaus verbessern.»
Simone Kobler

Ihr Vorgänger wurde kritisiert, was seine künstlerische Linie und die Führung des Hauses betraf. Was wollen Sie anders machen?

Kobler: Unser Vorgänger hat in sehr vielen Bereichen sehr grosse Erfolge erzielt und das Haus kompetent geführt. Natürlich gibt es im Bereich der Gegenwartskunst immer auch Kritik, dass sie allerdings überhäufend ausgefallen wäre, entspricht nicht unserer Beobachtung, Für uns geht es nicht darum, das Rad neu zu erfinden. Die «Grosse Regionale» und die Reihe «Seitenwagen» wollen wir weiterführen, ebenso die bestehenden Kooperationen mit dem Verein IG Halle und der Gebert Stiftung für Kultur / Alte Fabrik. Was wir sicherlich anstreben: Wir wollen die Beziehung der lokalen Bevölkerung von Rapperswil-Jona zum Kunstzeughaus verbessern. Ein grosses Potenzial jeder Kunstinstitution sind zudem ihre Mitarbeitenden, und wir freuen uns auf deren Erfahrungsschätze.

Céline Gaillard, Jahrgang 1987, ist in Jona, Oetwil am See, Weesen, Kaltbrunn und Rufi aufgewachsen. Nach dem Studium der Kunstgeschichte an der Uni Zürich hat sie während sechs Jahren am Kunstmuseum St. Gallen gewirkt und als Kuratorin für den Verein Progetti d`arte in Val Bregaglia, der Ausstellungen im Bergell organisiert, gearbeitet. Ihre Tochter Jaëlle ist sechs Monate alt. Céline Gaillard ist verlobt, lebt in Rapperswil und zählt Essen und Reisen zu ihren Hobbys.

Simone Kobler, geboren im Jahr 1986, ist in Goldingen aufgewachsen. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Zürich hat sie am Kunstmuseum Chur gearbeitet und Ausstellungen im Vögele-Kulturzentrum in Pfäffikon kuratiert (darunter die eben beendete Schau «Ist gut nicht gut genug?» sowie die kommende Schau «Schlaf gut!») Simone Kobler lebt in Rapperswil, spielt Volleyball in Eschenbach und kocht gerne.

Regierungsrat Martin Klöti zieht Bilanz
«Die Jahre unter der Leitung von Peter Stohler haben das Kunstzeughaus als professionell geführter Museumsbetrieb mit nationaler Ausstrahlung etabliert», sagt Regierungsrat Martin Klöti: Es habe dabei gegolten, die Sammlung Peter Bosshard systematisch zu ordnen, zu beschreiben und in einer umfassenden Publikation zu präsentieren. Die einzigartige und umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst sei die Basis dieser Institution. Zusammen mit dem Stiftungsrat habe Stohler nicht nur den Betrieb reorganisiert, das Kunstzeughaus mit neuen Angeboten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht und für Mittel gekämpft, sondern vor allem auch durch spannende Ausstellungen auf das Haus aufmerksam gemacht. «Peter Stohler hatte das Glück, während fast seiner ganzen Tätigkeit mit dem Sammlerehepaar Bosshard zusammenzuarbeiten», konstatiert Klöti: Der Hinschied von Peter Bosshard sei dann eine unerwartete Zäsur gewesen. «Genau in dieser einschneidenden Wende hat Peter Stohler bewiesen, wie wichtig die Position des Direktors ist.» Er habe die Situation mit viel Empathie und Stil stabilisiert. «Somit darf mit Fug und Recht von einer höchst positiven Bilanz gesprochen werden», fasst Klöti zusammen. Es stehe nun eine neue Epoche an, nämlich die Zeit, nach Peter Bosshards Tod. «Dieser Situation gerecht zu werden, erfordert nun nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern auch ideenreiche Konzepte», führt Klöti aus: «Wichtig ist dabei die weitere Verankerung der Institution auf dem Platz Rapperswil-Jona, aber gleichzeitig die Ausstrahlung in die Schweiz gut im Auge zu behalten.» Die Voraussetzungen dazu seien hervorragend. Klöti verweist auf die markante Erhöhung der Beiträge seitens Kanton St. Gallen hin und dankt der Stadt Rapperswil-Jona, die sich gleichfalls zur Institution bekennt. «Ich hoffe, dass von dieser Seite eine weitere finanzielle Unterstützung zu erwarten ist», sagt Klöti. Er rät dringend dazu, vom Kunstzeughaus in Rapperswil nicht nur im Zusammenhang mit der Finanzierung durch die Öffentlichkeit zu sprechen. «Es gibt nämlich sehr viel Mittel von Dritten, die das Haus überhaupt zu dem gemacht haben, was es heute ist.» Nicht zuletzt sei die umfangreiche Sammlung ein unschätzbarer Wert.

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