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Fussball-Weltmeister verneigen sich vor den Hockey-Spielern

Deutschlands Eishockey-Story des Jahrhunderts bewegt auch ausserhalb des olympischen Rinks. Von der Fussball-Prominenz bis zur diplomatischen Aussenstelle wurde der Triumph gegen Kanada bejubelt.

Agentur
sda
24.02.18 - 06:07 Uhr
Schneesport
Trainer Marco Sturm und sein Staff führten das deutsche Eishockey zum grössten Erfolg der Geschichte
Trainer Marco Sturm und sein Staff führten das deutsche Eishockey zum grössten Erfolg der Geschichte
KEYSTONE/AP/FRANK FRANKLIN II

1976 führte Xaver Unsinn Deutschlands Equipe in Innsbruck zu einem wundersamen 4:1 gegen die USA und Bronze, vier Jahre später schuf Herb Brooks mit seinen US-College-Boys das «Miracle on Ice». 38 Jahre später inszeniert das Team Germany das nächste Eiswunder. Selbst das kanadische Magazin «The Hockey News» verglich den 4:3-Coup gegen den 26-fachen Weltmeister Kanada mit dem historischen Glanzstück Brooks.

Der deutsche Eishockey-Rausch geht weiter. Die beste Olympia-Kampagne in der DEB-Geschichte wirft hohe Wellen. Im Land des Fussball-Weltmeisters fiebert derzeit eine ganze Sportnation mit den Puck-Jägern - so werden Hockey-Professionals bei den Ballexperten auch genannt - mit. Für das Endspiel gegen die russische KHL-Vertretung wird eine Rekord-Einschaltquote erwartet.

Im fernen Chicago war Bastian Schweinsteiger on fire. Vor dem XXL-TV-Schirm ballte der Leader der Weltmeister-Elf von 2014 die Faust: «Yes, come on! Let's go for gold.» Die euphorisierte Tennis-Ikone Boris Becker reihte sich ebenso unter die Gratulanten: «Wahnsinn, auf gehts Männer!»

Sogar das Amt für auswärtige Angelegenheiten setzte eine leicht ironische Empfehlung für deutsche Nordamerika-Reisende ab: «Seid nett, seid nicht hämisch, umarmt Leute, bezahlt eine Runde heisse Schokolade. Stellt euch einfach mal vor, wie es sich anfühlen würde, im Fussball gegen Kanada zu verlieren.»

Den Kommentatoren gingen im Wortsinn die Ausrufezeichen aus. «Gibt es eine Steigerung von Wahnsinn», fragte sich die «Süddeutsche». Der Reporter des «Spiegel» legte sich nach einem der «über zweieinhalb Drittel grössten Spiele der deutschen Eishockey-Historie» fest: «Eiskalt!» Die «Bild-Zeitung» war wie die meisten der DEB-Helden einfach nur «fassungslos».

Bei allen Analysen des Sonderefforts rückt einer ins Zentrum: Marco Sturm, der Ex-NHL-Star, 39-jährig erst, seit 2015 im Amt. Ein Mann mit Charisma und Einfluss. Er übernahm das Team auf der Weltranglisten-Position 13, zu einem Zeitpunkt, bei welchem 20 Absagen vor einem Turnier zum Courant normal gehörten. Zwei WM-Viertelfinals und ein Olympia-Märchen später käme keinem Kritiker mehr in den Sinn, seinen Job als Himmelfahrtskommando zu betiteln.

Weniger «amused» reagierte die kanadische Presse auf die Enttäuschung des Jahrzehnts. So wenig angesichts der bescheidenen Besetzung der Selects mit einem Gold-Triple zu rechnen war, mit dem Out gegen den krassen Aussenseiter taten sich die Hockey-Gralshüter dann gleichwohl schwer.

«Es gibt gute Gründe, weshalb die meisten dieser Spieler unbekannt sind. Im Bronze-Spiel werden keine Legenden geboren», spottete die auflagenstärkste Zeitung «The Toronto Star».

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