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Flüchtende aus der Ukraine büffeln Deutsch

Rund 230 Erwachsene besuchen derzeit die Deutschkurse für Flüchtlinge im Kanton Glarus. Wegen dem Ukraine-Krieg hat sich die Schülerzahl seit März verdoppelt – und dürfte weiter steigen.

Südostschweiz
18.09.22 - 04:30 Uhr
News

Derzeit besuchen im Glarnerland etwa 230 erwachsene Flüchtlinge Deutschkurse (kurz DaZ für Deutsch als Zweitsprache). Darunter sind etwa 150 aus der Ukraine. Das teilt der Kanton Glarus mit. Die Schulzimmer der Koordinationsstelle Integration Flüchtlinge befinden sich neu in Oberurnen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das Gebäude ursprünglich das Hauptquartier der Firma Joseph Egli war, die unter anderem regen Handel mit Russland trieb. Ein Teil der Schülerinnen und Schüler wird auch in Ziegelbrücke an der Berufsfachschule unterrichtet. In Netstal werden sechs weitere Kurse speziell für Mütter mit ihren Kindern durchgeführt. Zum Kurs fahren die Teilnehmenden mit dem ÖV, für den ihnen Streckenabonnemente ausgestellt werden.

Grosse organisatorische Herausforderungen

Die Zahl der Deutschschüler hat sich seit Ausbruch des Ukraine-Krieges mehr als verdoppelt. Das stellt das neunköpfige Lehrpersonal unter der Leitung von Barbara Keller vor einige organisatorische Herausforderungen. Einerseits sollen Unterschiede im Flüchtlingsstatus keine Rolle spielen und anderseits die Gruppen nach Leistungsfähigkeit und Vorkenntnissen ideal zusammengesetzt sein. Hier unterscheiden sich denn auch die Schülerinnen und Schüler erheblich: Auf der einen Seite gibt es Klassen für Deutsch-Anfänger, auf der anderen Seite Klassen, die auf einen Ausbildungsplatz oder ein Studium vorbereiten. Vermehrt kommen nun auch Senioren zum Deutschunterricht, Personen, die bisher davon ausgingen oder einfach hofften, dass sie bald zurückkehren können und sich der Aufwand nicht lohnen würde, eine fremde Sprache zu lernen.

Aufgrund der schnell steigenden Nachfrage nach DaZ-Unterricht war und ist die Rekrutierung von Lehrpersonal herausfordernd, zumal aktuell ausschliesslich befristete Arbeitsverträge angeboten werden können.  

Mehr Deutschunterricht gewünscht

Offensichtlich gross ist das Interesse ukrainischer Flüchtlinge am Deutschunterricht, denn immer wieder wird der Wunsch geäussert, mehr Lektionen erhalten zu können. Da ist aber nicht alles möglich. So wurde vom Kanton ein Mittelweg gewählt: Die Flüchtlinge erhalten maximal drei Tage Unterricht pro Woche, um die Personen auch die restlichen zwei Tage integrieren zu können. Dafür gibt es Beschäftigungsprogramme oder ein Gastronomieprojekt.

Technische Hilfsmittel: Die Schülerinnen und Schüler lernen auch mit ihren Handys und Tablets.
Technische Hilfsmittel: Die Schülerinnen und Schüler lernen auch mit ihren Handys und Tablets.
Pressebild

Darüber hinaus existieren auch sehr unterschiedliche Lernkulturen. So gibt es Schüler, die einfach zum Unterricht kommen, während andere über den Unterricht hinaus mit webbasierten Tools und Apps zusätzlich selbstständig alles lernen wollen, was man in kurzer Zeit lernen kann. Die unterschiedlichen Bedürfnisse lassen sich nicht einfach unter einen Hut bringen. Barbara Keller stellt fest, dass es Teilnehmer gibt, «die schon nach kurzer Zeit ausgezeichnet deutsch sprechen».

Stolz auf erste sprachliche Erfolge

Bei einem kurzen Besuch in den Schulzimmern von Barbara Keller und Anna Wang wenden die Schülerinnen und Schüler einer Anfängerklasse sichtlich stolz ihre ersten Deutschkenntnisse an. Sie grüssen auf Deutsch und erklären, dass sie einverstanden sind, dass während des Unterrichts Fotos gemacht werden. Dann geht es aber ans Tagesthema: Zeit. Da bleibt für das Fotografieren keine Zeit mehr. Die Schülerinnen und Schüler wollen die Zeit im Unterricht nutzen zum Lernen. Auch wenn niemand weiss, wie viel Zeit sie noch in der Schweiz verbringen werden.

(mitg/gos)

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