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Der Wolf macht ihnen das Leben schwer

Für Fredi Bernet und Samuel Elmer geht ein schwieriger Alpsommer zu Ende. Die Wölfe haben bei Ihnen einen erheblichen Schaden angerichtet. Nun wird eine Regulation gefordert.

Sara
Good
23.09.22 - 04:30 Uhr
News

Dieser Alpsommer lässt die Landwirte Samuel Elmer und Fredi Bernet aus Elm ratlos zurück. Die Schafe von Bernet sind seit dem letzten Samstag im Tal. Doch nicht alle 555 sind zurückgekommen. 35 Schafe fehlen. 13 von ihnen seien nachweislich dem Wolf zum Opfer gefallen. Der Rest ist teils nicht mehr auffindbar oder die Kadaver der Tiere wurden von Geiern gefressen. Betroffene werden für gerissene Tiere entschädigt, bei Bernet waren es vor allem Lämmer. Bezahlt werde der geltende Marktpreis, was pro Lamm ungefähr 300 bis 500 Franken ausmacht. «Doch das geht nur, wenn vom Tier ein Kadaver samt Ohrmarke auffindbar ist», so Fredi Bernet. Bei den vermissten Tieren sei es unklar, ob der oder die Betroffene dafür eine Entschädigung bekomme.

Fredi Bernet filmte im Juli, wie sich zwei Wölfe im Krauchtal an seine Schafherde näherten. Die Herdenschutzhunde konnten die Wölfe vertreiben.

Bernet rechnet jeden Alpsommer mit Verlusten, doch heuer seien es rund fünf Mal mehr. Nach dem dritten offiziellen Riss Mitte Juli verbrachte er einen Monat auf der Alp im Krauchtal oberhalb von Matt, um möglichst nahe bei der Herde zu sein. Vor Ort sah er tote und verletzte Tiere. «Das Schlimmste ist, wenn sie noch leben und ich sie nicht erlösen darf. Unter Umständen leiden sie dann noch mehrere Stunden, bis der Wildhüter vor Ort ist.»

Dazu kommt die zusätzliche Arbeit, die wegen der Wolfspräsenz auf den Alpen angefallen ist. Die Tiere wurden eingezäunt. Doch auch das versprach keinen hundertprozentigen Schutz. Bei Samuel Elmer wurden im Gebiet Wichlen bei Elm mindestens 40 Schafe gerissen. Dazu kommen noch viele vermisste Tiere. Gewissheit hat er erst in der nächsten Woche, wenn die Tiere nicht mehr auf der Alp sind. Praktisch jeden Monat gab es neue Risse. «Das geht an die Psyche», meint Elmer zu den Rissen. Dazu kommt die Ohnmacht. Die Herdenschutzmassnahmen seien ausgereizt. Als letzte Möglichkeit bleibe nur noch die Anschaffung von Herdenschutzhunden. Doch das könnte Probleme geben, weil durch sein Alpgebiet Wanderrouten verlaufen.

Kanton arbeitet an Regulationsgesuch

Allein im September wurden im Kanton bis jetzt 25 Tiere von Wölfen gerissen. Der Alpsommer ist so gut wie vorbei. Fredi Bernet rechnet noch mit einzelnen Rissen im Herbst, aber spätestens im Winter werde es ruhig. Wenn viel Schnee liegt, werden seine Schafe im Stall bleiben müssen. Zäune zu setzen bei eineinhalb Meter Schnee sei schwierig. Beide Landwirte hoffen, dass der Kanton bald handelt. «Doch sobald die Risse im Winter aufhören, wird der politische Druck verschwinden. Dann müssen wieder die ersten Risse im Mai passieren, bis eine Regulation Thema wird», befürchtet Fredi Bernet.

Bernet und Elmer haben mit zusätzlichen Zäunen versucht, den Wolf fernzuhalten.
Bernet und Elmer haben mit zusätzlichen Zäunen versucht, den Wolf fernzuhalten.
Bild Sara Good

Die Abteilung Jagd und Fischerei geht von einem Rudel und zwei bis drei Einzelwölfen aus, die im Glarnerland umherziehen. Mittlerweile seien es insgesamt bis zu zwölf Tiere. Mitte August wurde von der Wildhut eine Wölfin erlegt. Es war das erste Mal, dass der Kanton Glarus einen Wolf zum Abschuss freigegeben hat. Über 100 Nutztiere wurden seit Anfang Jahr durch Wölfe getötet oder werden vermisst. Zurzeit werde ein weiteres Regulationsgesuch vorbereitet. «Die Schäden hören nicht mit einem Abschuss allein auf», wie der Glarner Jagdverwalter Christoph Jäggi sagt. Der Prozess sei allerdings enorm aufwendig, da der Bund hohe Hürden habe. Doch Jäggi geht davon aus, dass das Gesuch in den nächsten Tagen eingereicht werde.

Ruf nach Abschuss wird lauter

Die Angst vor dem Wolf geht auch in der Bevölkerung um. Besorgte Menschen aus Glarus Süd haben sich in der Interessensgemeinschaft «wolfsicherer Lebensraum» zusammengetan. Bis jetzt haben sie rund 1500 Unterschriften gesammelt, wie Mitglied Barbara Vögeli auf Anfrage verrät. Der Tenor ist eindeutig: «Die Behörden müssen nun sofort handeln!» Vögeli wohnt in Engi. Schon mehrmals habe sie Wölfe im Dorf gesehen. Einmal sogar bei ihrem Haus: «Wir mussten für unsere Pferde einen zweiten Zaun montieren. Aber auch so spüren sie, dass der Wolf ums Haus schleicht. Unsere Tiere sind ganz unruhig.»

Besonders besorgt ist Vögeli wegen dem Winter, weil die Wölfe dann die Nähe zum Siedlungsgebiet suchen. Schon jetzt würden sich ältere Menschen nicht mehr alleine in die Natur trauen. «Ich weiss von mehreren Personen, die nicht mehr im Wald nach Heidelbeeren oder Pilzen suchen. Einfach, weil sie zu grosse Angst vor dem Wolf haben.»

Die Interessensgemeinschaft hat die Unterschriftensammlung ausgeweitet. Sie laufe mittlerweile im ganzen Kanton. «Noch unklar ist, was wir genau mit den Unterschriften machen», so Vögeli. Bis Ende September wollen sie weitersammeln und die Regierung so auffordern, die stark wachsende Wolfspopulation zeitnah zu regulieren. Im Landrat ist zudem ein Postulat der SVP-Fraktion hängig. Der Kanton Glarus soll den Wolfsbestand schneller regulieren können. Auch die Regierungskonferenz der Gebirgskantone macht Druck und drängt den Bund auf eine «aktive Regulierung» des Wolfbestands, analog wie es jetzt schon beim Steinwild gemacht wird.

Ungewissheit wegen Entschädigung

Trotz Herdenschutzmassnahmen werde es nie einen hundertprozentigen Schutz vor dem Wolf geben. Die Massnahmen «haben ganz sicher etwas gebracht. Sie bedeuten für einen Wolf immer auch einen Mehraufwand und ein Risiko», wie Christoph Jäggi erklärt.

Doch viel Spielraum beim Herdenschutz bleibe nicht. Samuel Elmer und Fredi Bernet wissen noch nicht, ob sie für ihre zusätzlichen Ausgaben entschädigt werden. Für beide war der Alpsommer nicht lukrativ. Zu hoch waren die Kosten für die zusätzlichen Zäune und den höheren Arbeitsaufwand. Fredi Bernet hielt seine Herden in diesem Sommer enger, damit die Herdenschutzhunde ihrer Aufgabe nachgehen konnten. Doch das beeinflusste die Entwicklung der Tiere. Am Ende eines Alpsommers habe er sonst 40 bis 50 Lämmer, die schlachtreif seien. In diesem Jahr waren es gerade einmal 13, die das ideale Gewicht auf die Waage brachten.

Die Aussichten auf den Alpsommer 2023 sehen nicht besser aus. «Schon in diesem Jahr haben zwei Bauern ihre Tiere nicht mehr auf die Alp gegeben. Zu gross war die Angst vor Wolfsrissen», so Samuel Elmer. Doch grosse Betriebe seien nach wie vor darauf angewiesen, dass ihre Schafe den Sommer auf der Alp verbringen können. «Es ist schwierig nachzuvollziehen, dass der Wolf einen solchen Stellenwert hat, und unsere Nutztiere nicht», sagt Elmer.

Sara Good verantwortet die Glarner Inhalte auf «suedostschweiz.ch». Zudem kreiert sie multimediale Inhalte und schreibt Artikel für die «Glarner Nachrichten». Sie hat den Diplomlehrgang am MAZ absolviert und Multimedia Production in Chur studiert. Mehr Infos

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