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Nur Pausen im Zivilschutz-WK?

Der WK im Zivilschutz besteht aus Warten, Zigarettenpause, Mittagessen, wieder Warten und schliesslich dem langersehnten Feierabend. Diesen Eindruck vermittelt zumindest ein Video, welches auf «20 Minuten» veröffentlicht wurde. Kann das wirklich sein? Martin Bühler, Chef des kantonalen Führungsstabs Graubünden, im Interview:

10.08.19 - 04:30 Uhr
News
Leitbild Militär
Martin Bühler, Chef des kantonalen Führungsstabs Graubünden
Yanik Buerkli / YANIK BÜRKLI

Herr Martin Bühler, zu besagtem Video: Läuft es beim Zivilschutz in Graubünden ähnlich? Besteht der WK mehrheitlich aus Pausen und Warten?

Der Zivilschutz Graubünden hat bei den Bevölkerungsschutzpartnern einen sehr hohen Stellenwert, da dieser praktisch jedes Jahr bei Ernstfalleinsätzen (Waldbrände, Bergsturz Bondo, Flugzeugabsturz Flims, Unwetter Juni 2019, Splügen) oder auch Grossanlässen (WEF, Ski-WM, Engadiner Skimarathon, oder aktuell UCI Bike World Cup) gemeinsam mit diesen im Einsatz steht. Wir müssen die kurze Ausbildungszeit der jährlichen Wiederholungskurse von drei Tagen so effizient wie möglich nutzen. Das Programm sollte den Tag füllen. Ich erwarte von den Kursleitern, dass dies bei einem WK der Fall ist.

Wie kann man sich diese Aufnahmen erklären?

Aus der Ferne ist dies schwierig zu beurteilen. Die Art und Weise der Darstellung ist natürlich drastisch. Trotzdem sollten wir auch solches dafür nutzen, uns noch mehr zu verbessern und noch effizientere Dienstleistungen zu planen und durchzuführen. Was sein könnte ist: Miliz bildet hier Miliz aus, oder junger Profi bildet Miliz aus. Das heisst, wir müssen stärker darauf achten, dass wir auch die Milizkader bei der Ausgestaltung der Dienstleistung möglichst gut begleiten. Das kommt im Gegenzug als erlernte Führungsstärke auch der Privatwirtschaft und den Gemeinden zugute.

Der Kanton Graubünden kämpft gegen eine Reduktion des Zivilschutzes von 2400 auf 1500 Dienstleistende. Wie wirkt sich solche Publicity auf dieses Anliegen aus?

Angehörige des Zivilschutzes (AdZS) Graubünden arbeiten hart und leisten in wenigen Diensttagen enorm viel. Unsere Zivilschützer helfen, lindern, bauen und geben der Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit. All jene Zivilschützer, die Sinnvolles für die Gemeinschaft leisten, fühlen sich hier stigmatisiert und können sich damit nicht identifizieren.

Wo besteht beim Zivilschutz (Graubünden) Ihrer Meinung nach noch Aufholarbeit bzw. Verbesserungspotenzial?

Unsere AdZS geben nach der Grundausbildung ihre Beurteilung über den Dienst ab. Weit über 90 Prozent beurteilen diesen als gut oder sehr gut. Aber natürlich wollen wir uns immer weiter verbessern: Wo sie uns Verbesserungspotenzial aufzeigen, setzen wir an. Wir müssen der Bevölkerung jedoch noch besser aufzeigen, was der Zivilschutz in Graubünden alles leistet. Wir schützen Kulturgüter, betreuen mit dem Care-Team Traumatisierte, unterstützen Altersheime, stellen Wege nach Unwettern und Schäden wieder instand, leisten Katastrophenhilfe (Bondo, Waldbrand Misox, Splügen). Wir leisten auch proaktiv Hilfe für mögliche Notlagen (Brienz). Dass wir dem Kanton Graubünden in so vielen Bereichen den Rücken stärken, das müssen wir noch besser kommunizieren.

In Kontakt mit lokalem Gewerbe

Der Zivilschutz in Graubünden bemüht sich, der Bevölkerung einerseits, den privaten Institutionen andererseits aufzuzeigen, was alles in ihren Kompetenzbereich fällt. Martin Bühler legt grossen Wert auf die Kommunikation mit den Firmen: «In einer Notsituation schicke ich den Zivilschutz ohne Absprache mit den privaten Unternehmen in den Einsatz. Sobald die Notsituation vorbei ist, ist der Dialog über die Zuständigkeiten wichtig und dieser wird auch umgehend geführt». Der Chef des kantonalen Führungsstabs versichert, dass die Gespräche mit dem lokalen Gewerbeverband äusserst konstruktiv seien und die Zusammenarbeit funktioniere.

Der Zivilschutz ist eine der fünf Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes (Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen, Technische Betriebe, Zivilschutz). 
Im Kanton Graubünden gibt es 2500 Angehörige des Zivilschutzes.
Sie sind auf 12 regionale Zivilschutzkompanien, eine kantonale Einsatzkompanie
sowie diverse Spezialformationen verteilt.

Mara Schlumpf ist Redaktorin und Chefin vom Dienst bei «suedostschweiz.ch». Ursprünglich kommt sie aus dem Aargau, hat ihr Herz aber vor einigen Jahren an Chur verschenkt. Mehr Infos

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