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Orang-Utan-Station in Gefahr

Seit 1994 werden die Orang-Utans auf Sumatra erforscht. Nun ist der Fortbestand der Forschungsstation der Universität Zürich gefährdet – und somit auch die Menschenaffen im Dschungel.

Linth-Zeitung
04.11.18 - 22:17 Uhr
News
Dringend notwendig: In der Suaq-Forschungsstation im Dschungel Sumatras erforscht die Uni Zürich Orang-Utans und schützt deren Lebensraum.
Dringend notwendig: In der Suaq-Forschungsstation im Dschungel Sumatras erforscht die Uni Zürich Orang-Utans und schützt deren Lebensraum.
Pressebilder

Caroline Schuppli ist erst gerade aus dem Dschungel zurückgekehrt. Die Wädenswiler Postdoktorandin am Anthropologischen Institut der Universität Zürich verbringt mehrere Monate pro Jahr auf der indonesischen Insel Sumatra. Sie erforscht dort Orang-Utans. Schuppli und ihre Kollegen stehen jeweils um drei Uhr morgens auf und wandern durch den unwegsamen Regenwald, um rechtzeitig bei den Orang-Utans anzukommen, bevor diese ihre Nester verlassen.

Die Forscher folgen den Tieren, beobachten ihr Verhalten, fotografieren und filmen sie. Abends kehren sie ins Camp in Suaq zurück. Dort laden sie ihre Daten herunter und ihre Geräte auf und bereiten sich auf den nächsten 17-Stunden-Arbeitstag vor. Indem die Zürcher Forscher mehr über die Orang-Utans und ihre Lebensweise erfahren, wollen sie auch Schlüsse auf die Evolution des Menschen ziehen.

1994 gründete Carel van Schaik, ehemaliger Direktor des Anthropologischen Instituts an der Universität Zürich, die Forschungsstation in Suaq. Der Holländer ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der evolutionären Anthropologie und einer der «wenigen Weltstars der Universität Zürich», wie die «NZZ» kürzlich schrieb.

Forschungsgelder fehlen

Seit August ist van Schaik emeritiert. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Finanzierung der Forschungsstation in Sumatra, wie Caroline Schuppli sagt, die die Station heute leitet. Als Professor liess van Schaik ein Teil der von ihm verwalteten Gelder stets der Forschungsstation zukommen. Dies geschieht nun nicht mehr. Andrea Migliano, die van Schaiks Lehrstuhl übernommen hat, hat einen anderen Forschungsschwerpunkt und wird ihre Gelder mehrheitlich dort einsetzen. So fehlen der Forschungsstation 40 000 Franken pro Jahr, um den Betrieb zu gewährleisten. Ursprünglich hatte Schuppli damit gerechnet, dass Carel van Schaik trotz des erreichten Pensionsalters noch etwas länger am Institut beschäftigt sein werde. Zur Überbrückung hat sie von Stiftungen Notfallgrants erhalten, die die Forschungsstation derzeit über Wasser halten. Diese sind aber auf ein, maximal zwei Jahre begrenzt. «Damit wir in Sumatra präsent bleiben können, brauchen wir aber eine langfristige Finanzierung.»

Die Präsenz der Forscherinnen und Forscher sei essenziell, sagt Schuppli. Zwischen 2015 und 2016 war die Station temporär nicht besetzt, und schon standen Einheimische mit Kettensägen im rund zehn Quadratkilometer grossen Einzugsgebiet. Die Dorfbewohner arbeiten für reichere Besitzer von Motorsägen und holzen damit illegalerweise den Wald im Naturschutzgebiet ab. Sind die Studenten und Doktoranden aber vor Ort, getrauen sich die Holzräuber nicht in ihre Nähe. Zudem beschäftigt die Forschungsstation zehn Festangestellte und zusätzlich pro Wissenschaftler jeden Monat einen anderen Dorfbewohner Anfang zwanzig als Assistenten. «Diese Jobs sind heiss begehrt und eine echte Alternative zur Kettensäge», sagt Schuppli. Die jungen Leute haben so erstmals Zugang zu einem Computer und lernen Englisch. Zudem leisten die Forscher Aufklärungsarbeit in lokalen Schulen.

Zuerst sterben die Kleinsten

Die Forschungsstation hilft so nicht nur der Wissenschaft, sondern auch dem Erhalt des Lebensraums der Orang-Utans. Das Suaq-Gebiet hat weltweit die höchste Dichte an Orang-Utans: Pro Quadratkilometer leben dort sieben Tiere.

Die Weibchen streifen mit ihrem Nachwuchs meist alleine durch die Baumkronen. Gelegentlich treffen sie andere Weibchen und Kinder. So tauschen sie auch Wissen aus, etwa über den Gebrauch von Werkzeug zum Öffnen der Neesia-Frucht. Dieses Verhalten zeigen nur die Orang-Utans in Sumatra. Die Weibchen bekommen nur etwa alle sieben bis neun Jahre Nachwuchs und investieren sehr viel in ihre Jungen. Ungestört überleben laut Schuppli 95 Prozent der Jungtiere. Wenn ihnen aber die Nahrung fehlt, weil die Bäume gefällt werden, sterben zuerst die Kleinsten. «Nachdem wir 2016 wieder zur Forschungsstation zurückkehrten, starb sogar ein fünfjähriges Junges. Das war für uns ein Alarmsignal», sagt Schuppli.

Damit es nicht mehr so weit kommt, sucht Caroline Schuppli einen langfristigen Sponsor für die Forschungsstation. Für sie als Postdoktorandin sei das zwar komplizierter als für einen etablierten Professor. Da sie aber – wenn auch langfristig nicht monetär – auf die Unterstützung des Anthropologischen Instituts zählen kann, ist sie verhalten optimistisch: «Es ist schwierig, aber nicht unmöglich.»

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