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New Glarner handeln solidarisch

Ein toter und fünf verletzte Feuerwehrleute, ein verletzter Polizist und sechs verletzte Zivilisten: Letzte Woche hat ein Gas-Unfall den ganzen US-Bundesstaat Wisconsin aufgeschreckt. Nach dem Schock führte der Unfall aber zu unzähligen Solidaritätskundgebungen aus der Region. Mit dabei sind auch die Mitglieder der Feuerwehr von New Glarus.

Sebastian
Dürst
24.07.18 - 07:25 Uhr
Ereignisse
Feuerwehrmänner aus New Glarus und Belleville übernahmen Feuerwache.
Feuerwehrmänner aus New Glarus und Belleville übernahmen Feuerwache.
PRESSEBILD

Bis nach Europa hat es die Unglücksmeldung nicht geschafft. Aber die grossen Medien in den USA haben ausführlich darüber berichtet: Letzte Woche hat es in Sun Prairie eine Gasexplosion gegeben, die einen toten Feuerwehrmann forderte.
Die Umstände sind tragisch. Alarmiert wird die Feuerwehr aus dem Vorort von Madison, der Hauptstadt von Wisconsin, wegen unangenehmem Gasgeruch.

Sofort rücken die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr aus. Einer von ihnen ist mit besonderem Eifer dabei: Captain Cory Barr. Er ist zusammen mit seiner Frau Besitzer einer Bar im Umkreis des Gasproblems. Die Feuerwehr bekommt zunächst den Auftrag, die Menschen im Gefahrengebiet zu evakuieren. Cory Barr entfernt sich von seinen Kameraden, um nach dem Gasleck zu suchen.

Dann geschieht das Unfassbare: Eine riesige Gasexplosion zerstört mehrere Gebäude, es brennt überall. Im Chaos hört man Schreie: Über zehn Personen werden von der Wucht der Explosion verletzt. Nur einer schreit nicht: Cory Barr wird von der Explosion getötet.

Warum es zu dieser Tragödie gekommen ist, können die Behörden noch nicht sagen. Barrs Frau Abby äussert sich aber darüber, warum sich Barr dem Risiko ausgesetzt hat. «Er starb bei dem, was er liebte: Er liebte es, Menschen zu helfen», sagt sie gegenüber einem lokalen Fernsehsender. Und sie ergänzt emotional: «Es braucht eine spezielle Art von Mensch, um als Freiwilliger in der Feuerwehr zu sein. In einer Organisation, in der man zu einem Ereignis hinrennen muss, von dem andere wegrennen.»

Auch die Feuerwehr der Glarner «Kolonie» New Glarus besteht aus Freiwilligen Feuerwehrleuten. Und wie in den USA üblich, identifizieren sich auch die Neu-Glarner Feuerwehrleute sehr stark mit ihren Kameraden, vor allem wenn sie im gleichen Bundesstaat ihre Arbeit tun.

Die Solidaritätswelle
 breitet sich rasend schnell aus

Sun Prairie liegt rund eine Autostunde nordöstlich von New Glarus. Das New Glarus Fire Department war deshalb nicht direkt von den Ereignissen betroffen. Aber als der Todesfall bekannt wurde, hat sich sehr schnell eine riesige Solidaritätswelle ausgebreitet. Kinder sammelten an ihren
Limonade-Ständen Geld für die Witwe und die dreijährigen Zwillingstöchter, der Gouverneur äusserte sein Mitgefühl und ehrte den Verstorbenen als Helden. Und natürlich taten die Amerikaner, was sie in solchen Fällen immer tun: Vielerorts wurden als
Mitgefühlskundgebung amerikanische Flaggen gehisst, überall waren sie auf Halbmast.

Stolz auf die praktische Hilfe

Es gibt aber auch die ganz praktische Hilfe, auf die man in den USA zu recht stolz ist. Nur Stunden nach dem Unfall formierten sich die freiwilligen Feuerwehren im Umkreis von Sun Prairie, um die Feuerwache für die Kameraden des toten Feuerwehrmannes zu übernehmen. Das führte zu einem Dominoeffekt: Die in diesen Dörfern fehlenden Feuerwehrleute wurden durch solche aus Dörfern ersetzt, die noch weiter weg liegen. Und so weiter. Auch die New Glarner Feuerwehrleute waren in diversen Feuerwachen im Einsatz, wie Sue Moen, Redaktorin beim «Post Messenger Recorder», erzählt. «Das ist eine Selbstverständlichkeit für die Männer. Sie sind stolz darauf, dass sie ihren Kameraden auf diese Weise helfen können», sagt sie.

Für die Beerdigung wurde mit der grossen Kelle angerichtet, auch von den Feuerwehren: Über 700 Uniformierte waren mit ihren Fahrzeugen dabei und formierten eine Trauer-
Prozession.

Damit die Feuerwehren aus der unmittelbaren Umgebung von Sun Prairie vollständig an der Trauerzeremonie teilnehmen konnten, machten sich die Neu Glarner unter anderem auf nach DeForest, dem Nachbarort von Sun Prairie.

Bryce Anderson und Shaun Bainbridge aus New Glarus kamen mit dem Tanklöschfahrzeug und wachten mit drei Kollegen über das Dorf DeForest. «Natürlich habe ich sie um ein Bild davon gebeten», sagt Redaktorin Sue Moen. Man sei in New Glarus immer stolz, wenn die eigenen Leute der Gesellschaft helfen. «Und das will ich unseren Lesern auch zeigen.»

Hier gehts zum Video.

Sebastian Dürst ist Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er ist in Glarus geboren und aufgewachsen. Nach Lehr- und Wanderjahren mit Stationen in Fribourg, Adelboden und Basel arbeitet er seit 2015 wieder in der Heimat. Er hat Religionswissenschaft und Geschichte studiert. Mehr Infos

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