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Vom erlernbaren Handwerk und der Kunst

Hans Peter Michel ist in Davos kein Unbekannter. Gut erinnert man sich noch an seine Zeit als FDP-Politiker, Landammann und Standespräsident. Neu ist hingegen, dass er auch Buch-Autor ist.

Barbara
Gassler
18.05.23 - 12:00 Uhr
Menschen & Schicksale
Beim Thema «Führung» schöpft Hans Peter Michel aus dem Vollen.
Beim Thema «Führung» schöpft Hans Peter Michel aus dem Vollen.
Barbara Gassler

Vor Kurzem erschien im Somedia Buchverlag sein Werk «Die Führungspyramide», das auf seiner Dissertation zum Thema «Leadership im sich verändernden wirtschaftlichen und sozialen Kontext» basiert und sich mit den Herausforderungen von Führung in einer sich wandelnden Welt beschäftigt. In dem leicht lesbaren und anschaulich geschriebenen Buch schaut Michel unter anderem auf Demografie, Kultur und den technischen Fortschritt und gibt seine Erfahrung als Führungsperson weiter. Diese nahm ihren Anfang beim Hüten von Ziegen auf einer Alpweide, setzte sich als Offizier im Militärdienst fort und befähigte ihn schliesslich, während acht Jahren die Gemeinde Davos zu leiten. 

«Führung betrifft alle», sagt er gegenüber der DZ. «Es ist ein sozialer Prozess, bei dem es immer zwei Akteure gibt.» Darum sei es auch für jemanden, der keine Führungsfunktionen innehabe, spannend zu wissen, wie Führung funktioniere. «Wer geführt wird, hat auch Einfluss.» Deutlich macht er das in seinem Werk schon früh mit einem Diagramm: Anschaulich wird dargestellt, wie Erfahrung sowie Ausbildung der Geführten sich auf die Intensität der Führung auswirken. «Solche Leute brauchen eine lange Leine.» Viel Spielraum erlauben auch Routine und der Alltag. «In einer Krise hingegen muss eng geführt werden», sagt Michel und verdeutlicht die Situation in einem seiner zahlreichen bildhaften Beispiele. 

Durch die Augen von Führungspersönlichkeiten

Bevor Michel die Aussage – «Führung ist ein Interaktionsprozess zwischen Führungsperson, Mitarbeitenden und Umwelt» – anhand der namensgebenden Führungspyramide vertieft, lässt er acht Führungspersönlichkeiten zu Wort kommen. Sie beschreiben aus ihrer ganz persönlichen Sicht, wie sie Führung sehen und leben. Es sind einerseits Menschen, die in der internationalen Wirtschaft zu Hause sind und dort Unternehmen mit Tausenden von Mitarbeitenden leiten, wie etwa der deutsche Topmanager Klaus Kleinfeld: «Man muss den Leuten zeigen, dass man ihre Arbeit kennt, und man darf sich nicht scheuen, sich die Hände schmutzig zu machen. Das und nur das erzeugt Respekt.» Oder aber Michel stellt seine Fragen Chefs schweizerischer Firmen, Professoren und der ehemaligen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf: «Wichtig in der Führung ist, sich zu entscheiden. Die Kunst besteht darin, gute und nachvollziehbare Entscheide zu treffen, auch wenn nicht alle Fragen restlos geklärt sind.»

Die Führungspyramide

Ausführlich widmet sich Michel der Führungspyramide, die er in vier Stufen unterteilt. Zuunterst und Basis alles Weiteren steht für ihn die Fachkompetenz. «Man muss nicht alles selber können, aber zumindest so viel von der Sache verstehen, um die richtigen Fragen zu stellen.» Bei der zweiten Stufe handelt es sich um das erlernbare Handwerk der Führung. Dabei gehe es darum, Strukturen zu schaffen, die es erlaubten, in Krisensituationen handeln zu können, ohne sich um die bereits festgelegten Abläufe kümmern zu müssen, beschreibt der Autor. Ausführlich wird Michel bei der Kunst der Führung, dritte der vier Stufen seiner Pyramide. Während er die beiden unteren Stufen als erlernbar bezeichnet, kommt die dritte nicht ohne Begabung aus. Es gehe dabei um eine gefühlsgeleitete Wechselbeziehung, um Wertschätzung und eine gegenseitige Solidarität. «Ein guter Kerl ist jedoch nicht zwingend eine gute Führungspersönlichkeit», präzisiert Michel im Gespräch mit der DZ. Narzissten etwa, die es hervorragend verstünden, auf dem Seelenklavier der Menschen zu spielen, würden langfristig nur schaden. «Solche Machtmenschen können lange einen guten Job machen, doch irgendwann geht es nur noch um den eigenen Machterhalt.» Dann würden sie die Bodenhaftung verlieren, und das sei schlecht. «Als Führungsperson darf man sich nicht zu wichtig nehmen», mahnt Michel entsprechend und nennt die wichtigste Komponente in der Kunst der Führung: «Man muss Menschen mögen.» Denn ohne Herz zum Herzen zu sprechen, habe die gegenteilige Wirkung: «Mitgefühl und Solidarität tatsächlich zu besitzen und richtig zu kommunizieren, ist Kunst und Gabe.»

Schliesslich kommt Michel noch auf den letzten, nicht ­beeinflussbaren Punkt seiner Führungspyramide zu sprechen, den Zufall. «Dieser lehrt uns, bescheiden zu bleiben.» Dazu zitiert er den amerikanischen Weltkriegsgeneral Douglas Mac Arthur: «Im Krieg gewinnt oder verliert man, lebt oder stirbt – und der Unterschied ist nur ein Wimpernschlag.» 

Wer sich näher mit «Führung heisst, das Ziel klar zu erkennen, den Unterstellten mutig voranzugehen und mit ihnen emotional verbunden zu bleiben» beschäftigen mag, sei ­Michels Buch wärmstens empfohlen.

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