×

Die Nebelschläuche vom Wasserschloss

Linth-Zeitung
11.12.18 - 19:21 Uhr
Menschen & Schicksale
Rapperswil-Jona im Nebel
Rapperswil-Jona im Nebel
BILD MARTIN MÜHLEGG

Von Martin Mühlegg

Bei San Francisco ziehen morgens oft Nebelschwaden vom Pazifik her Richtung Land. Es ragen nur noch die Spitzen der Golden-Gate-Brücke und der Hochhäuser in die Morgensonne. Darunter breitet sich der Nebel aus, stösst über die Bay Richtung Festland oder zieht sich wieder zurück. Auf der Google-Bildersuche und in meinen Alben finden sich tolle Fotos von diesem Phänomen. Ausgelöst wird es durch die Temperatur- und Druckunterschiede zwischen der kalten Luft über dem Pazifik und der warmen Luft über dem Festland.

Wer Ähnliches beobachten will, kann sich auch bei uns in den Morgenstunden auf einen Aussichtspunkt über dem Zürichsee oder der Linthebene stellen. Speziell in den Schönwetterperioden zum Ende des Herbstes und zum Anfang des Winters ziehen manchmal Nebelschläuche über die Region. Oft wandern sie der Seeoberfläche und dem Boden entlang Richtung Osten. Sie umwabern Erhebungen wie den Rapperswiler Schlosshügel oder den Buechberg. Die Turmspitzen des Rapperswiler Schlosses, hohe Bäume oder die Hochspannungsleitungen des Linthgebiets ragen aus dem Nebel.

Wenn die Temperaturunterschiede zwischen See (warm) und Luft (kalt) gross sind, entstehen die Nebelschwaden durch das «verdampfende» Seewasser. Der zu Rate gezogene Experte von Meteo Schweiz spricht sinnbildlich von «Rauch», der sich bei grossen Temperaturunterschieden zu Quellwolken entwickeln kann.

In den meisten Fällen wird das stille Spektakel anders ausgelöst, erklärt der Meteorologe. Das Zentrum des Schweizer Wasserschlosses befindet sich bei Gebenstorf im Kanton Aargau. Dort vereinen sich Aare, Reuss und Limmat. Über diesem tiefsten Punkt des Mittellandes bildet sich ein «See» mit kalter Luft, in dem sich wegen der ausfallenden Feuchtigkeit (kalte Luft bindet weniger Wasser als warme) Nebel bildet. Im Zürcher Unterland, entlang des Rheines, bilden sich ebenfalls neblige Kaltluftseen. Diese können sich über das Mittelland ausbreiten.

Unsere Region, das sanktgallische Linthgebiet, befindet sich im Grenzbereich zwischen Mittelland und Bergen. Schon kleine Druck- oder Temperaturunterschiede zwischen diesen beiden Gebieten bringen den Nebel in Bewegung. Speziell in den Morgenstunden, wenn sich die Linthebene in der Sonne aufwärmt, entsteht ein Sog. Dann ziehen Nebelschläuche über den See und breiten sich Richtung Osten aus. Spätestens bei Ziegelbrücke löst die trockenere Bergluft den Bodennebel auf.

Wenn der Nebel etwas höher über dem Mittelland liegt, ziehen die Nebelschläuche manchmal auf einer Höhe von 600 bis 800 Metern an den Nordhängen des Etzels und des Stöcklichrüzes entlang Richtung Osten. Falls Westwind, Föhn oder Bise auffrischen, dringen sie weniger weit oder gar nicht in unsere Region vor. Weil auf heute Mittwoch eine recht kräftige Bise angesagt ist, werden wir uns bis zum nächsten Nebelspektakel noch etwas gedulden müssen.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Menschen & Schicksale MEHR