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«Es ist schön, dass es die ‘Linth-Zeitung’ nun wieder gibt»

Hans Breitenmoser war während 35 Jahren Redaktor der «Linth»- und der «Zürichsee-Zeitung». Er ordnet die Entwicklung des Zeitungswesens im letzten halben Jahrhundert ein und spricht über die Chancen der neuen «Linth-Zeitung».

Südostschweiz
01.10.18 - 04:32 Uhr
Menschen & Schicksale
Hans Breitenmoser ist gespannt, welche Inhalte die neue «Linth-Zeitung» bieten wird.
Hans Breitenmoser ist gespannt, welche Inhalte die neue «Linth-Zeitung» bieten wird.
MICHAEL TROST

mit Hans Breitenmoser sprach Magnus Leibundgut

Wie kommt die Nachricht bei Ihnen an, dass am Montag eine neue Zeitung erscheint?

Es freut mich ausserordentlich, dass es ab dem Montag wieder eine «Linth-Zeitung» gibt. Mit diesem Namen kommt die Zeitung wieder zurück zu ihren Wurzeln. Der Name «Linth-Zeitung» passt auch viel besser zum St. Gallischen als etwa «Zürichsee-Zeitung».

Hätten Sie sich jemals vorstellen können, dass zwei verfeindete Blätter fusionieren?

Ich habe es am eigenen Leib erlebt! (lacht) Als sich nämlich 1993 die «Linth» mit dem «St. Galler Volksblatt» zur «Linth Zeitung» zusammenschlossen. Es war damals unvorstellbar, dass zwei so gegensätzliche Zeitungen eins werden. Allein aus parteipolitischer Sicht war das undenkbar, weil die «Linth» die FDP, das «Volksblatt» die CVP vertrat. Trotzdem wurde die Fusion dann schliesslich vollzogen.

Ist die Pressevielfalt bedroht, wenn es neu statt zwei nur noch eine Zeitung gibt?

Im lokalen Zeitungswesen ist mit einer Reduktion auf eine Zeitung die Vielfalt nicht bedroht. Früher gab es 20 Zeitungen im Kanton, in jeder Ortschaft erschienen zwei Blätter. Aber diese waren eng einer bestimmten Partei oder Konfession verpflichtet. Da ist mir eine einzige Zeitung, die umfassend berichtet und sich politisch und konfessionell öffnet, allemal lieber. Im nationalen oder überregionalen Rahmen hingegen ist die Pressevielfalt in der Tat spürbar bedroht.

Wie erklären Sie sich das überhandnehmende Zeitungssterben?

Print-Medien, also gedruckte Zeitungen, gehen ein, weil sich alles wegen der Digitalisierung auf die elektronischen Medien verlagert. Längstens haben Social Media, Facebook und der Internet-Auftritt eines Mediums den Print-Medien den Rang abgelaufen. Meine Enkelkinder kommen gar nicht mehr erst auf die Idee, eine gedruckte Zeitung zur Hand zu nehmen. Man kann diese Entwicklung, die Digitalisierung, bedauern – aufhalten kann man sie nicht.

«Dass die Redaktion aus Gemeindemitteilungen eigene Geschichten macht, ist unabdingbar.»

Wie schätzen Sie die Chancen der neuen Zeitung angesichts dieser widrigen Umstände ein?

Als sehr gut. Ich halte es für möglich, dass die neue «Linth-Zeitung» wieder zum Publikationsorgan der Kommunen wird und damit zu einer Alternative für die Gemeindeblätter. Wenn den Kommunen wieder mehr Platz eingeräumt, ihnen eine Stimme gegeben wird, sind die Chancen intakt, dass die neue Zeitung auch bei den Gemeinden ankommt. Diese haben ja nur ihre eigenen Blätter aufgegleist, weil die Zeitungen die Mitteilungen der Gemeinderäte nicht eins zu eins abgedruckt haben. Dass die Redaktion die Gemeindemitteilungen kommentiert und aus ihnen eine eigene Geschichte macht, halte ich allerdings für unabdingbar.

Welche Inhalte sind wichtig, damit die neue Zeitung beim Leser auch ankommt?

Die zentrale Frage lautet: Was könnte den Leser interessieren? Neben den eigenen Texten der Redaktoren sind hierbei durchaus auch Todesanzeigen, Handänderungen, Zivilstandsnachrichten, Baubewilligungen und Nachrufe zu erwähnen. Wenn man diese leserfreundlich, übersichtlich und gut illustriert gestalten würde, wäre schon viel gewonnen. Gut wäre auch, wenn die Vereinstexte besser redigiert und die Bürgerversammlungen mit mehr Tiefgang analysiert würden.

Das tönt nun doch sehr nach alter Schule. Gewinnt man damit einen Blumentopf?

Ich glaube an die Wiedergeburt der Print-Zeitung, und deswegen finde ich es auch schön, dass es die «Linth-Zeitung» nun wieder gibt. Wichtig ist, dass alle relevanten Informationen im Blatt unterkommen. Der Vorteil einer Print-Zeitung gegenüber dem Internet ist ja, dass sie kompakt und übersichtlich auf einen Blick über alles Wesentliche berichtet, währenddem man im Netz vor lauter News die Übersicht verliert und untergeht. Ich hoffe, dass auch die neue Zeitung Platz findet für spannende Geschichten, Porträts und Interviews, wie dies die Leserschaft der «ZSZ» und der «Südostschweiz» bis anhin erleben durfte. Und dass das Blatt den Menschen wie auch die Gemeinschaft, das Gemeinwesen, ins Zentrum rückt.

«Ich glaube an die Wiedergeburt der Print-Zeitung – wichtig ist, dass sämtliche relevanten Informationen im Blatt unterkommen.»

Wie hat sich der Arbeitsalltag des Redaktors im letzten halben Jahrhundert verändert?

Wir waren viel mehr draussen und unterwegs als heutige Redaktoren, hatten die Möglichkeit, Leuten zu begegnen. Und konnten auch mal nach einem Anlass sitzen bleiben, um so sich etwas unter den Leuten rumzuhören. Wir waren in den Gemeinden besser verankert, weil wir in jedem Dorf einen Korrespondenten und Informanten hatten. Wir mussten auch nicht so pressieren wie heutige Redaktoren: Ein Grund für den Qualitätsverlust liegt in der Konkurrenzsituation – weil jede Zeitung meint, sie müsste eine Geschichte als Primeur bringen, und das eilt dann. In diesem Sinne ist die Beendigung der Konkurrenzsituation im Linthgebiet eine gute Sache: Jetzt kann eine Geschichte auch mal einen Tag lang warten, dafür ist sie dann umso besser geschrieben.

Fehler entstehen in der Tat des Öfteren aufgrund der Eile. Haben Sie auch schon mal einen Bock geschossen?

Im Jahr 1961 war ich frisch verliebt und verpasste deswegen die Fronleichnamsprozession in der Wiler Altstadt. Nichtsdestotrotz verfasste ich für die «Wiler Zeitung» aufgrund des Programms einen Artikel über den Anlass und beschrieb, wie die Gläubigen singend und betend in voller barocker Pracht durch die Altstadt zogen. Dumm war nur, dass die auf den Nachmittag verschobene Prozession wegen eines heftigen Gewitters abgesagt werden musste – und also dementsprechend gar nicht stattfand.

Hans Breitenmoser, 1936 in eine Bauernfamilie in Oberrindal hineingeboren, wuchs ab 1946 in Gossau auf. Nach einer journalistischen Ausbildung begann er mit 15 Jahren als Korrespondent für verschiedene Zeitungen zu schreiben. Nach der Kantonsschule in St. Gallen wurde Hans Breitenmoser Redaktor der «Gossauer Zeitung» und der «Wiler Zeitung». 1972 kam er als Redaktor nach Rapperswil und schrieb 35 Jahre lang für die «Linth»- und die «Zürichsee-Zeitung». Von 1960 bis 1973 engagierte sich Hans Breitenmoser als Mitglied der FDP-Fraktion im Grossen Rat des Kantons St. Gallen. 24 Jahre lang gehörte er dem katholischen Kollegium (kantonales Kirchenparlament) an, das er 1993/94 präsidierte. Während eines Vierteljahrhunderts wirkte Hans Breitenmoser als Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft Linthgebiet. Er ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Rapperswil.

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