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Als Glarus ein Provinznest wurde

Anfangs der 20-er Jahre war Glarus die lebendige „Kleinste Hauptstadt“ mit reichen Bürgern und einem guten Image. Verschiedenste Anlässe machten die Stadt attraktiv, ein reiches Angebot an Freizeitvergnügen sorgte für Aufschwung. Im Volleyball spielte man erfolgreich in der höchsten Spielklasse, im Eishockey und Eislaufen erreichten die Jungen Spitzenpositionen und die erste Mannschaft etablierte sich in der zweiten Liga.
Den reichen Glarnern stieg das aber wohl in den Kopf, obwohl man im Privaten sich jeden Genuss gönnen konnte und häufig in die Ferien fuhr, wollte man bei den Steuern immer mehr sparen. Zwar wurden vorerst die Schulklassen nicht vergrössert und die Kindergärten erhielten nach wie vor einen Aussenspielplatz, aber für den Unterhalt der Infrastruktur blieb kein Geld mehr. Statt die Steuern moderat zu erhöhen und vielleicht ein Bier oder einen Kaffee weniger zu konsumieren, setzte man stur auf sparen.
Da zur selben Zeit auch im hochgelobten Amerika die Sparwut populär war und man bei Infrastruktur und Bildung mit der Kettensäge vorging, übernahm man das Rezept. Schwimmbäder wurden geschlossen (wer will kann sich ja einen eigenen Pool bauen), einfaches Schifahren vor der Haustüre nicht notwenig (Im Engadin gibt’s gute Hänge), Eislaufen und Hockeyspielen soll man nur im Winter (wer es vermag kann ja auch auswärts trainieren), auch auf Äugsten kann man ja laufen (Helikopterflüge ab Mollis) und die vielen Ausflugsrestaurants rentieren eh nicht (man kann ja nach Graubünden zum Sonntags-Zvieri).
Die soziale Integration wurde zurückgefahren, die Rüttenen verschwanden (sind ja auch nicht wichtig) und mit etwas mehr Kosten und Umweltverschmutzung nahm das Leben seinen Lauf. Die Glarner zahlten keine höheren Steuern sondern neue Gebühren und genossen ihre Freizeit auswärts. Im Moment ist noch nicht klar ob das alles auch negative Auswirkungen hatte (ziellose Jugend, Unzufriedenheit, Abwanderung der besser Verdienenden usw), aber auf jeden Fall sind die Steuern tief geblieben.

Kurt Rhyner
21.03.25 - 10:14 Uhr
Leserbrief
Ort:
Glarus
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