Rote Laterne für Bündner Mittelschulen
Wieder einmal soll ein Problem durch Totschweigen gelöst werden. Warum ist hierzulande das blamable Abschneiden der Bündner Mittelschulen in einer Studie, über welche die NZZ bereits letzte Woche berichtete, kein Thema? Ermittelt wurde, welcher Prozentsatz an Maturanden, die zwischen 2012 und 2015 ein Bachelorstudium (6 Semester) aufgenommen hatten, es bis 2020 erfolgreich abschlossen. Daraus errechnete sich die Abbruchquote. Bei einem schweizerischen Mittelwert von 18,9 % steht unser Kanton mit stolzen 26,1 % Studienabbrechern im ersten Rang, während es im Kanton Nidwalden nur gerade 12,3 % waren. Von den Absolventen bündnerischer Mittelschulen scheiterte also gut jeder vierte bereits zu Beginn eines jener universitären Ausbildungsgänge, im Hinblick auf die der Kanton viel Steuergeld in jeden Mittelschüler und jede Mittelschülerin investiert. In Nidwalden dagegen resultierte eine Erfolgsquote von fast neun zu zehn.
Besonders blamabel ist der Umstand, dass mit den Kantonen Jura (25,5 %), Waadt (25 %) und Neuenburg (24,9 %) – nahe den 23,2 % der Kanti (28,5 % private Schulen!) – nur jene Kantone ein ähnlich schlechtes Ergebnis wie Graubünden zeigen, in denen die Sekundarstufe II nur drei Jahre dauert. Mit «esprit romand» kompensiert man locker – sogar noch mit einem leicht besseren Ergebnis! – das vierte Gymnasialjahr der Bündner. Die Expertise lässt sich Prof. Eberle, der die Studie im Auftrag der Schweizerischen Maturitätskommission verfasste, nur schwerlich absprechen, hatte ihn unser Kanton doch schon selbst als Gutachter in Mittelschulfragen beigezogen.
Die 101-seitige Studie ist über das Internet frei zugänglich und enthält manch überraschende Einsichten – unter anderem eine, die das Herz in des Altphilologen Brust vor Freude hüpfen lässt. Die Studienerfolgsquote wurde nämlich auch aufgeschlüsselt nach den besuchten Schwerpunktfächern. In der Medizin und den Naturwissenschaften stammen die Überflieger erwartungsgemäss aus dem Kreis derjenigen, die Physik und Anwendungen der Mathematik belegt hatten, doch ihnen dicht auf den Fersen folgen – die Altsprachler!
Natürlich gibt es nach wie vor die tollen Leistungen einzelner Bündner Mittelschüler, angefangen bei den im Rahmen von «Schweizer Jugend forscht» prämierten Arbeiten bis hin zur Spitzenrangierung im Übersetzungswettbewerb «certamen translatorium» der Lateiner. In deren Glanz sonnen sich die Schulen in ihren Jahresberichten. Doch die bestehenden Defizite in der Breite können sie nicht wettmachen.
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