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Rhätische Bahn Rekord

Es ist Samstag, den 2. November 2024. Am Tag nach Allerheiligen erstrahlt Graubünden im wolkenlosen Herbsttag, so wie von den Medien angekündigt; viele Menschen in der ganzen Schweiz haben sich vorgenommen, in den letzten Herbsttagen dem Nebel im Unterland zu entfliehen und in den Bergen die Frische und herbstliche Wärme zu geniessen. Arosa wirbt mit Novemberhoch und Bärenland; nichts wie hoch auf 1’800m mit der Rhätischen Bahn.
Aber diese wartet am Bahnhof in Chur nur gerade mit drei Personenwagen; um 09:00 sind alle Plätze schon besetzt, in den Eingangsbereichen des Zuges hängen Mountainbikes und Kinderwagen versperren die Sitzplätze. Draussen stehen Gruppen von Touristen mit und ohne Bikes und entschliessen sich nicht mitzufahren, denn stehend die vielen Kurven nach Arosa eine Stunde lang auszuhalten ist dann doch zu anstrengend, zumal noch Kinder dabei sind. Eine Stunde später fährt dann der nächste Zug.
Wer aus dem Zugfenster schaut sieht einen Zugführer in Diskussionen verwickelt und seine Haltung lässt auf etwas Unsicherheit und Stress schliessen. Er kann nichts dafür, dass die RhB-Planer nur drei Wagen vorgesehen haben, obwohl mit grösserem Andrang gerechnet hätte werden müssen. Nach der Abfahrt um 09:08 an der Haltestelle Chur Altstadt: Gleiche Szenen mit zurückgelassenen und zum Teil aufgebrachten Reisewilligen wie beim Churer Bahnhof.
Im Zug weigert sich ein Reisender für seinen kleinen Hund zu zahlen mit der Begründung, dass der Zug komplett voll sei, der Hund praktisch keinen Platz habe und es etwas geldgierig wirke, auch noch die letzten möglichen 8.- Franken im vollbesetzten Zug zu erwirtschaften. Der Zugführer ist gestresst, der Kunde ist hässig, weil er auf Kulanz hofft, und die Mitreisenden verdrehen die Augen ob dem Gezänke. Schliesslich wird der renitente Reisende als Schwarzfahrer gebrandmarkt und zur Unterschrift auf einem Handy genötigt.
In Litzirüti verbietet der unterdessen sichtlich gezeichnete Zugführer einem Mountainbiker mit dem Fahrrad einzusteigen, da alles schon voll sei. Dieser aber packt sein Rad, widersetzt sich erfolgreich den Anweisungen und fährt mit nach Arosa; da gab es also noch etwas Platz.
Man gönnt der RhB ihren Rekord, man ist als Bündner stolz auf das UNESCO Welterbe RhB, aber der Erfolg wird offensichtlich auch auf dem Buckel der Mitarbeiter erwirtschaftet, die auf Gedeih und Verderben an der Front austragen müssen, was im Hintergrund nicht immer den jeweiligen situativen Voraussetzungen angepasst wird.

Urs Martin Wohlgemuth
20.12.24 - 13:11 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
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20. Dez. 2024 Rhätische Bahn fährt Rekord ein.
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RhB-ÖV: Eine gewaltige "Ellenbogen"-Bahn (der streitbaren Platzhirsche, sapperlot, wo ist hier noch Platz), die gemäss Medien zwar entsprechend "Behindertengleichstellungsgesetz" umgebaut wurde, in der es Vulnerablen jedoch umso mulmiger (Stressor, Trigger) zumute sein könnte?
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