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Neues Wahlsystem

Ich bin enttäuscht. Die Mehrheit der Bündner Regierung hat kein Rückgrat und wenig Demokratieverständnis. Auf Drängen der Mehrheitsparteien schlägt sie nun im Gegensatz zum Frühjahr das Anti-Demokratiemodell (E) als neues Wahlsystem vor. Die Begründung «Anerkennung realpolitischer Gegebenheiten» stinkt zum Himmel. Dass die FDP, CVP und BDP ihre Macht zementieren wollen ist klar. Sie wollen den Bundesgerichtsentscheid nur so wenig wie möglich umsetzen. Aber wenn z.B. im Kreis Disentis seit langem nur CVP-Kandidatinnen und -Kandidaten eine Chance haben, im Majorz-System gewählt zu werden, ist das absolut undemokratisch. Da zählen alle anderen Parteistimmen absolut nichts und es ist deshalb auch verständlich, wenn ausser CVP-Wählerinnen und –Wählern nur wenige zur Urne gehen. Scheinbar hört bei den Wahlen die Demokratie bei der Tardisbrücke auf und Schillers Worte «Graubünden, das Athen der Räuber und Diebe» bekommen mit den Worten «…Stimmen-Räuber und –Diebe» einen aktuellen Sinn. Demokratie beinhaltet eben auch die Berücksichtigung von Minderheiten und nicht nur das Festhalten der Mehrheit an der Macht. Wenn die Wirtschaftslage sich weiter so verdüstert, werden auch im Kanton Graubünden die Finanzen knapper. Es fragt sich dann ob z.B. die grosse Mehrheit (17000) der nicht romanisch Sprechenden bereit ist Einbussen in Kauf zu nehmen und der Minderheit (30000) der romanisch Sprechenden immer noch sechs verschiedene Romanisch-Lehrbücher zu finanzieren oder ob es nicht genügt ein Lehrbuch in Romantsch Grischun zur Verfügung zu stellen.
Mit der Abschaffung der Kreise und der Schaffung der Regionen hat der Kanton einen Schritt hin zu einem modernen System gemacht. Jetzt, aus parteipolitischen Machtgründen die meisten alten Kreise mit ihrem Majorz-System als neue Wahlkreise zu bestimmen, ist verwerflich. Und dass nun wegen des Bundesgerichtsentscheides, aber auch einige für die Majorzwahl zu grosse Kreise aufgeteilt werden müssen, entbehrt nicht einer gewissen Stupidität.

Franco Giovanoli
23.09.20 - 23:26 Uhr
Leserbrief
Ort:
Haldenstein
Zum Artikel:
Das neue Wahlsystem spaltet den Kanton Graubünden, GR, 23.09.2020
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