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Beinahe Stromblackout am 20. Mai

In den vielen Energiewendediskussionen ist der Begriff der Versorgungssicherheit kaum zu finden. Im europäischen Netz testet man ihre Grenzen schon mal ungewollt aus.

Das geht`s uns an, wenn die Europäer ein Problem haben, wir sind ja (zum Glück) nicht mal in der EU. Deutschland ein Land, in dem man gut und gerne lebt und der die Verdrängung ungelöster Fragen verinnerlicht hat. Nun haben die Deutschen den Schweizern ein Problem verursacht, ohne akut etwas falsch gemacht zu haben.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit rief der Schweizer Netzbetreiber Swissgrid am 20. Mai um 8 Uhr eine „Netzsicherheitsverletzung“ aus, „Alarmstufe rot“, die höchste Warnstufe und letzte Massnahme vor Lastabwürfen oder umgangssprachlich – Abschaltungen. Diese wären nötig geworden, um einen flächendeckenden Blackout zu verhindern.
Swissgrid

Als Ursache gibt Swissgrid grosse Differenzen zwischen Änderungen im Stromhandel und den Netzprognosen an. Daraufhin flossen 4,5 Gigawatt Richtung Deutschland (mehr als ein Drittel der gesamten Schweizer Stromproduktion) und drohten, die Leitungen zu überlasten. Stark steigende Grosshandelspreise waren zwischen 6 und 9 Uhr 30 zu verzeichnen. In der Schweiz stiegen sie von 36,50 auf 60 Euro pro Megawattstunde, in Deutschland von 30 auf 79. Der deutsche Import ergab sich aus dem Preisunterschied und der Notwendigkeit der Netzstabilität, was wiederum von einer Arbeitsverweigerung der deutschen „Erneuerbaren“ herrührte. Um 8 Uhr lieferten Wind und Sonne ganze 10,1 Gigawatt (bei einer installierten Leistung von 106,5 Gigawatt), um 11 Uhr dann 16 Gigawatt (Daten von Fraunhofer ISE). Das große deutsche Pumpspeicherwerk in Goldisthal war an diesem Tag nicht verfügbar.

Die „n-1“-Sicherheit des Schweizer Netzes war gefährdet. Dieses Sicherheitskriterium besagt, dass die Stromflüsse auch bei Ausfall einer Leitung oder eines Transformators über andere Leitungen vollständig möglich sein müssen. Kritische Situationen im europäischen Netz nehmen zu, weil Stromhandel und Netzprognosen voneinander in der Vorschau abweichen können und die Komplexität wie auch die Anzahl der Marktteilnehmer zunimmt. Unsichere Windprognosen tragen das ihre bei. Das Fehlen von „eingeplantem“ regenerativen Strom stellt inzwischen eine Situation dar, die das System überfordern kann. Erschwerend kommt hinzu, dass der Schweiz aufgrund eines fehlenden Stromabkommens nicht alle Informationen aus dem grenzüberschreitenden Stromhandel zugänglich sind.

Der Mangel an Backup-Kraftwerken, der mit Fortschreiten des deutschen Sonderwegs zunehmen wird, lässt erste Risiken praktisch erkennen. Bereits am 14. Dezember 2018 und am 10. Januar 2019 gab es kritische Situationen im europäischen Netz, die noch nicht bis ins Detail aufgeklärt sind.
Es bleibt spannungsreich in Netz – hoffentlich. Eines ist sicher: Die Schweiz könnte sich problemlos selbst versorgen. Der Tell produziert flexibel, kostengünstig und emissionsarm. Der Deutsche Gessler bald nicht mehr, er setzt immer noch auf die falsche Energiestrategie.

Rolf Stüssi
10.06.19 - 19:03 Uhr
Leserbrief
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Bilten
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kein Verweis auf einen Artikel, wäre gut gewesen, wenn einer geschrieben worden wäre ;)
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