Psilocybin bei Depressionen?
Ein wissenschaftlicher Blick auf den Wirkstoff des Psychedelikums.
Psilocybin ist ein Psychedelikum, gemeinhin bekannt durch die Droge «Magic Mushrooms».
Ein wissenschaftlicher Blick auf den Wirkstoff des Psychedelikums.
Psilocybin ist ein Psychedelikum, gemeinhin bekannt durch die Droge «Magic Mushrooms».

Psychedelika wurden erstmals in den 1950-er Jahren klinisch-therapeutisch eingesetzt, die Forschung kam aber in den 1970-er Jahren durch ein Nutzungsverbot im Rahmen der Drogenbekämpfung zum Erliegen. Seit rund zehn Jahren wird Psilocybin zunehmend intensiv erforscht.
Welches sind die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft und wie sind diese in die therapeutische Praxis einzuordnen? „Die Substanz ist noch zu wenig erforscht“, fasst es Davide Zani zusammen. Der Assistenzarzt der Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR) befasst sich seit vielen Jahren mit Psilocybin, insbesondere im Zusammenhang mit ethischen Fragestellungen in der therapeutischen Anwendung.
Die aktuellen Studien, weiss der Mediziner, befassen sich mit den Grundlagen – und das brauche Zeit: „Wir müssen zunächst wissen, wie diese Substanz genau funktioniert und ob sie bei allen Menschen gleich wirkt. Auch mögliche Langzeitfolgen, Nebenwirkungen oder Kontraindikationen können wir heute noch nicht eindeutig benennen.“
Dennoch ist Psilocybin in Einzelfällen bereits im Einsatz. Die Entscheidung hierüber trifft das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Substanz ist im Betäubungsmittelgesetz (BetmG) gelistet, ist aber zur Nutzung im ärztlichen Sinn erlaubt. Voraussetzungen sind mitunter eine nachgewiesene Therapieresistenz sowie die schwere Beeinträchtigung der Lebensqualität. Erst wenn wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wenn kein Antidepressivum anschlägt und die klassische Psychotherapie an ihre Grenzen stösst, ziehen Mediziner und Ärztinnen die Anwendung psychotroper Stoffe wie Psilocybin in Betracht.
Fakt ist: Nur bei sehr wenigen Patientinnen und Patienten ist dies der Fall. Dann jedoch ist der Hoffnungsschimmer riesengross. Denn bisherige Anwendungen haben gezeigt, dass Psilocybin sehr rasch und innert kurzer Behandlungszeit wirken kann.
Davide Zani bleibt jedoch vorerst kritisch. Nicht nur der Stand der Forschung sei ungenügend, auch die Umsetzung sei herausfordernd: „Die Therapie braucht ein besonderes Setting, etwa einen Raum ohne Verletzungsgefahr. Hinzu kommen speziell geschultes Fachpersonal und eine intensive Begleitung.“ Auch die Aufklärung der Patientinnen und Patienten ist dem Assistenzarzt ein wichtiges Anliegen – und ein paradoxes Unterfangen. Denn wie soll man eine psychedelische Wirkung beschreiben, die ausserhalb der allgemeinen Vorstellungskraft liegt?
„Wir können die Wirkung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft erklären, sowie über die rechtlichen Rahmenbedingungen aufklären.“ Daneben seien aber noch einige Fragen offen: Welcher Mensch verträgt welche Dosierung? Kann die Substanz langfristige Veränderungen in der Persönlichkeit des Menschen bewirken? Ist ein stationärer Aufenthalt ratsam und wie lange sollte man unter Beobachtung stehen?
Auch gibt es Stimmen, dass viele Studien bislang zu einseitig angelegt gewesen seien. So blieben geschlechterspezifische ebenso wie ethnische Merkmale weitgehend unberücksichtigt. Das Zauberwort heisst also Geduld: „Die Forschung wird intensiv vorangetrieben. Aber es kann noch mindestens zehn weitere Jahre dauern, bis wir für eine routinemässige Implementierung in die Psychotherapie ausreichend festen Boden unter den Füssen haben.“