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Ein Leiterlispiel eröffnet Jung und Alt den Zugang zur Geschichte

Ritter von Frauenberg führt durch das Mittelalterland Graubünden und vernetzt nicht nur Museen, sondern auch Geschichte(n).

Bündner Woche
02.08.24 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Ein Spiel, das verbindet: Im Leiterli-Spiel besucht Ritter von Frauenberg verschiedene Bündner Orte, die im Mittelalter eine Rolle gespielt haben.
Ein Spiel, das verbindet: Im Leiterli-Spiel besucht Ritter von Frauenberg verschiedene Bündner Orte, die im Mittelalter eine Rolle gespielt haben.
Cindy Ziegler

von Cindy Ziegler

Es war einmal ein Ritter. Er lebte in einem Land, wo die Berge den Himmel berühren und Täler sich tief eingraben. Heinrich von Frauenberg hiess der Mann, der auch gerne Lieder sang.

Das ist der Beginn einer Geschichte. Einer wahren noch dazu. Denn Ritter von Frauenberg lebte um 1300 tatsächlich und wohnte auf der Burg Frauenberg, auch bekannt als Frundsberg, bei Ruschein/Ilanz. Er war nicht nur ein tapferer Ritter und bekannter Minnesänger, sondern ist auch Protagonist des Mittelalterspiels, das im Heute quer durch Graubünden führt. Das Projekt Mittelalterland soll spielerisch die Museen in Graubünden, die einen Bezug zum Mittelalter haben, vernetzen. Dabei lädt ein regionenübergreifendes «Leiterli-Spiel» die Teilnehmenden ein, alle Spiele in den zehn beteiligten Museen für sich zu entdecken (siehe Box).

Laetizia Christoffel, Betriebsleiterin des Domschatzmuseums und Leiterin der Geschäftsstelle des Verbands der Bündner Museen, schliesst die Tür zum Domschatzmuseum des Churer Hofs auf. Hier dürfen Kinder im Rahmen von Mittelalterland Graubünden eine verschwundene Statue suchen, die von Bischof Ortlieb vermisst wird. Auch diesen Mann gab es einmal wahrhaftig. Er lebte im 15. Jahrhundert und war einer, der die Kunst förderte. So berichtet es Laetizia Christoffel, als sie vom Projekt erzählt. Im ersten Ausstellungsraum des Museums ist es kühl, in den Vitrinen ist Wertvolles ausgestellt. Goldene Relikte vergangener Zeiten.

 

Spielend lernen: In allen beteiligten Museen gibt es ein passendes Abenteuer zu meistern.
Spielend lernen: In allen beteiligten Museen gibt es ein passendes Abenteuer zu meistern.
Pressebild

Vielfältige Museumslandschaft, reichhaltige Kultur

Guido Dietrich ist der Initiant von Mittelalterland Graubünden. Entstanden ist dieses im Rahmen des Projekts «Museen und Kulturtourismus» der Bündner Museen in Kooperation mit dem Forschungsbereich Tourismus und Nachhaltigkeit der ZHAW. Für Guido Dietrich geht es dabei vor allem darum, zum einen die Museen miteinander zu vernetzen, aber auch darum, aufzuzeigen, wie vielfältig die Landschaft der Museen in Graubünden und wie reichhaltig die Kultur in den verschiedenen Talschaften ist. Das Mittelalter als Thema eigne sich dafür besonders gut.

Denn wie das Domschatzmuseum haben viele der rund 100 Museen im Kanton eine lange Geschichte und stellen Relikte aus dem Mittelalter aus. Für Laetizia Christoffel ist es eine sehr spannende Epoche mit einer reichen Geschichte und vielen Entwicklungen. Kein Wunder, dauerte sie doch etwa 1000 Jahre – vom Untergang des Römischen Reichs (um 500) bis zur Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg (15. Jahrhundert). «Ich finde es zum Beispiel sehr interessant, dass es damals schon Verkehrswege und Knotenpunkte gab, wo die Leute Handel betrieben haben», meint sie und deutet auf ein Stück Stoff hinter einer Glaswand. Es stamme aus dem Jahr 800 und sei damals in Syrien gefertigt worden. Irgendwie ist es in den Domschatz gekommen und von hier aus wurden Teile des Stoffes dann weiterverkauft, sodass man heute in anderen Museen in Europa Gegenstücke findet.

Viele Zeitzeugen

Als wir aus dem Museum treten und einmal quer über den Platz zur Kathedrale gehen, spricht Laetizia Christoffel weiter von solchen Verbindungen. Und davon, warum wohl das Mittelalter mit seinen Rittern, Adligen und Bauersleuten noch immer eine solche Faszination auf die Menschen hat. «Ich denke, das liegt zum einen daran, dass es aus dieser Zeit viele schriftliche Belege gibt, zum Beispiel die vielen Ritterromane. Mehr noch glaube ich aber, dass das vor allem so ist, weil man sich nur umschauen muss und noch überall Spuren findet. Die Kathedrale zum Beispiel. Oder die vielen Burgen, die es in Graubünden gab.» Auch auf Guido Dietrich, der das Museum Waltensburger Meister leitet, übt das Mittelalter eine Faszination aus. Das tat es schon als Kind. Das einfache Leben, die Abenteuergeschichten. «Ausserdem vermitteln viele Orte in Graubünden tatsächlich, wie es vor vielen Hundert Jahren war. Es gibt so viele Zeitzeugen, die zulassen, dass man sich das lebhaft vorstellen kann. Sie alle sind aufgeladen mit einer besonderen Energie.»

In der Kirche zeigt die Museumsleiterin derweil auf den Sarkophag von Bischof Ortlieb, deutet auf eine Wandmalerei des Waltensburger Meisters und erzählt die Geschichte einer Zisterne, die noch heute Wasser führt, das vom Mittenberg unter der Kathedrale hindurchläuft. Vor dem Hochaltar von Jakob Russ bleibt sie stehen. Die Holzfiguren sind eindrücklich. Bischof Ortlieb hatte den Altar damals in Auftrag gegeben. Und vermisst im fiktiven Spiel eine solche Figur. Es sind Geschichten, die verbinden. Und es ist auch die Geschichte selbst, die das tut. «Ich bin überzeugt, dass das, was man auf spielerische Weise lernt, besser bleibt. Kinder kommen so in Kontakt mit eher trockenen Themen, bekommen sie aber nicht so vermittelt», meint Laetizia Christoffel.

Zurück zu Heinrich von Frauenberg. Im Leiterli-Spiel, das die zehn Museen und ihre Geschichten miteinander verstrickt, ist der Ritter unterwegs. Auf seinem Pferd Clothilde reitet er durch den Kanton und besucht die Orte, an denen einst Museen stehen werden. Von Disentis gelangt er via Waltensburg nach Chur, von da reitet er weiter nach Vaz/Obervaz, macht Halt in Fürstenau und in Hohen Rätien, besucht das Kloster Müstair, lässt sich in der Schmelzra in S-charl helfen und beendet seine Reise in Strada. Aber Achtung. Auf seinem Weg gibt es nicht nur Abkürzungen, sondern auch Umwege, die gefährlich sein können.

Mit Ritter von Frauenberg auf Reisen gehen

«Heinrich von Frauenberg ist eine interessante Figur. Er war ein vielfältiger Mensch. Dass er zum Protagonisten unserer Geschichte wurde, war nicht rational motiviert, sondern wir haben ihn zufällig gefunden. Aber es hat vieles gepasst. Die Zeit, die Wege und die vielen Abenteuer», meint Initiant Guido Dietrich. Und empfiehlt, mit dem Ritter auf Reisen zu gehen.

Spuren des Mittelalters: In der Kathedrale gibt es davon so einige. Es sind dies: Malereien des Waltensburger Meisters…
Spuren des Mittelalters: In der Kathedrale gibt es davon so einige. Es sind dies: Malereien des Waltensburger Meisters…
Cindy Ziegler
… der Hochaltar von Jakob Russ…
… der Hochaltar von Jakob Russ…
Cindy Ziegler
…der Sarkophag von Bischof Ortlieb…
…der Sarkophag von Bischof Ortlieb…
Cindy Ziegler
…eine Zisterne…
…eine Zisterne…
Cindy Ziegler
…und die Kirche an sich.
…und die Kirche an sich.
Cindy Ziegler

Auf Entdeckungstour

Zehn Museen im Kanton beteiligen sich am Projekt «Mittelalterland Graubünden». Folgende Spiele, Entdeckungstouren und Bastelideen warten auf kleine und grosse Leute:

Museum Kloster Disentis: Das Klosterpuzzle mit mehr als 12'000 Teilen soll zusammengesetzt werden.

Museum Waltensburger Meister: Wer findet die versteckte Ruine der Burg Kropfenstein? Und wer wird in der Bilderwerkstatt kreativ?

Rätisches Museum: Hier können Kinder in die Rollen von Gleichaltrigen im Mittelalter schlüpfen und mehr über den damaligen Alltag erfahren.

Domschatzmuseum: Wo nur steckt Bischof Ortliebs verschwundene Figur?

Museum Vaz/Obervaz: Interessierte können eine Geldkatze (einen Geldbeutel) basteln und bekommen Murmeln für ein Murmelspiel.

Stoffelhaus Fürstenau: Das Museum lädt mithilfe alter Skizzen und Pläne ein, die Geheimnisse der Stadt Fürstenau zu entdecken.

Hohen Rätien: Hier finden fähige Detektive Überreste einer Katastrophe aus dem Mittelalter.

Klostermuseum Müstair: Die Klosterkatze Babette lädt zur Entdeckungstour.

Schmelzra S-charl: Wer mag, kann hier Münzen prägen und erfahren, wie aus Erz Silber gewonnen wird.

Stamparia Strada: Wie zu Gutenbergs Zeiten werden Lernende für die Druckerei gesucht.

www.mittelalterland.ch

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