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Dasselbe geblieben: 150 Jahre SAC-Sektion Piz Sol

Vor 150 Jahren wurde die SAC-Sektion Piz Sol gegründet – zwei langjährige Mitglieder erzählen vom Wandel am Berg

Bündner Woche
03.06.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

von Cindy Ziegler

«Die Sektion hat sich zur Aufgabe gestellt, in erster Linie ihren Vettergötti, den Herrn Alvier, etwas freundlicher zu stimmen gegen seine Besucher, zugänglicher zu machen für gemütliche Konversationen und ihm, wenn möglich auch ein anständiges, modernes Hüttchen aufzusetzen, in welchem seine Gäste wohlgeschützt den Sonnenaufgang abwarten können». So steht es im SAC-Jahrbuch von 1873, als die Sektion Piz Sol, die damals noch Alvier hiess, gegründet wurde. Zehn Jahre nach dem schweizweiten Alpenclub, der 1863 im Oltener Bahnhofsbuffet ins Leben gerufen wurde, um die boomende Eroberung der Alpen «nicht länger den Ausländern zu überlassen». Im Vorfeld wurden nämlich in London und in Österreich ähnliche Vereinigungen gegründet. Wie auch immer. Den SAC Piz Sol gibt es heuer seit 150 Jahren. Grund genug, zu feiern, findet die Sektion. Grund genug, mit zwei Herren zu sprechen, die schon lange dabei sind, finden wir.

Es ist ein milder Montagmorgen im Mai. Punkt neun Uhr beginnen sich die Gondeln der Pizolbahn, die von Bad Ragaz zur Bergstation Pardiel führen, zu bewegen. Markus Letta und Karl Meier gehören zu den ersten Gästen. In der Gondel können sie den Blick nicht von den grünen Alpwiesen lassen. «Jetzt kommen bestimmt auch bald die ersten Bergblumen», meint Karl Meier. Sein Kollege nickt zustimmend. Oben im Panoramarestaurant gibts Shorley und einen Milchkaffee. Mit Blick auf das St. Galler Rheintal und den für die Sektion so wichtigen Berg Alvier beginnen die beiden zu erzählen. Seit 44 Jahren ist Markus Letta schon Sektionsmitglied, Karl Meier seit 33 Jahren. Zwei Schnapszahljubiläen im grossen Jubiläumsjahr.

Unzählige Berggeschichten

Die beiden Pensionäre und passionierten Berggänger erinnern sich an diesem Montagmorgen. An unzählige Berggeschichten. Und an den Alpinismus, der sich seit sie «zBerg gönd», stark verändert hat und irgendwie doch gleichgeblieben ist. Nur schon in der Zeit eines langen Menschenlebens, auf das beide zurückschauen können. «Allein schon die Ausrüstung», meint Markus Letta und beginnt aufzuzählen. «Wir sind damals total primitiv geklettert. Mit den schweren Lederstiefeln sind wir die Wände hoch. Und die Seile durften nicht nass werden, weil sie sonst einfroren. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.» Genauso wenig wie vieles anderes. «Aber irgendwie hat sich erstaunlich wenig verändert», sagt Karl Meier. Das Erlebnis. Das Emotionale. Das sei dasselbe geblieben. «Man geht noch immer hoch, um zu schauen, wie es auf der anderen Seite aussieht», meint denn auch Markus Letta.

Seit 44 und 33 Jahren beim SAC Piz Sol dabei: Markus Letta und Karl Meier.
Seit 44 und 33 Jahren beim SAC Piz Sol dabei: Markus Letta und Karl Meier.
Bild Cindy Ziegler

Die beiden trinken einen Schluck und lachen. Der alten Zeiten willen, aber auch des Moments willen, den sie jetzt gerade miteinander teilen. «Die Kameradschaft ist noch immer so wichtig wie wohl vor 150 Jahren», meint Karl Meier. Denn es sei etwas anderes, ob man zwei Stunden miteinander in den Bergen unterwegs sei, oder zwei Stunden an einem Tisch sitze. «Vor allem in der heutigen Zeit, wo alle reden, sich aber niemand mitteilt», sagt Markus Letta. Es sei sicher so, dass sich eher der Mensch verändert habe als der Berg. Obwohl. Auch dem ist die Zeit anzusehen. Vor allem im Hochgebirge hat der Klimawandel Spuren hinterlassen. «Es gab schon früher Felsstürze oder Murgänge. Aber die Ereignisse häufen sich», gibt Karl Meier zu bedenken. Und paradoxerweise hätten die Menschen heute weniger Respekt vor dem Berg als früher. Vielleicht sei es das Material, das eine falsche Sicherheit verspreche. Vielleicht aber wolle man heute auch immer noch Extremeres schaffen.

«Irgendwie sind Berg und Mensch eben noch dieselben»
Karl Meier

Markus Letta nimmt eine gefaltete, vergilbte Karte aus seinem Rucksack. «Rundsicht vom Alvier» steht darauf. Und die Datumsangabe «Ende Juli & August & Anfang Sept. 1879». Zu sehen ist die gezeichnete Bergkette des Alviers und an der linken, unteren Ecke ein angedeutetes Gebäude. Es ist das «Hüttchen», das sich die Sektion zum Ziel gesetzt hatte. 1875 wurde es erbaut. Mittlerweile steht eine neuere Hütte auf dem Alvier. «Ich kann mich noch erinnern, als die alte Hütte als Eselstall genutzt wurde», erzählt Markus Letta und schmunzelt. Über die Gründe, warum die Sektion vor 150 Jahren als eine der ersten gegründet wurde – 1873 gab es 16 SAC-Sektionen, heute sind es 110 – können die beiden Männer nur mutmassen. «Es gab wohl einfach zwei, drei Personen aus unserer Region, die sich dafür eingesetzt haben», sagt Karl Meier. «Das stimmt», meint Markus Letta. Scheinbar gab es später Differenzen, weshalb die Sektion dann auch den Namen wechselte. «Auch das hat sich nicht verändert», sagt er und erwähnt verschiedene Streitigkeiten von Bergbahnen über Konzessionen und Gemeindebeiträge in neuerer Zeit. «Ja eben. Irgendwie sind Berg und Mensch eben noch dieselben», meint Karl Meier. Mehr über die Namensänderung und andere Geschichten aus den letzen 150 Jahren der Sektion werden in einem Buch erzählt, das im November Vernissage feiert.

Markus Letta und Karl Meier sind an jenem Montagmorgen oft gleicher Meinung. Auch darin, dass sie sich für die nächsten 150 Jahre ihrer Sektion wünschen, dass die Menschen weiterhin Momente sammeln, an die sie sich gerne erinnern. Dass sie auch dann noch unten am Berg stehen, nach oben schauen und sich freuen, auf die andere Seite geblickt zu haben.

Vielfältiges Jubiläumsjahr

Die SAC-Sektion Piz Sol plant im 2023 verschiedenste Anlässe zum 150-Jahr-Jubiläum. Der nächste Anlass ist die Familienwanderung Hängebrücke – Lanaberg – Brüggliweg am Sonntag, 4. Juni. Informationen zu dieser Wanderung (Anmeldeschluss 1. Juni) und weiteren Aktivitäten unter www.sac-piz-sol.ch.

 

 

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