Zu Tisch mit Thomas Mann
In den drei Jahren, in denen Marietta Zürcher das Waldhotel Davos übernommen hat, hat sich das Haus auch einen Namen als Ort ungewöhnlicher Kunstereignisse gemacht. Dieses Jahr steht ein virtuelles Dinner auf dem Plan.
In den drei Jahren, in denen Marietta Zürcher das Waldhotel Davos übernommen hat, hat sich das Haus auch einen Namen als Ort ungewöhnlicher Kunstereignisse gemacht. Dieses Jahr steht ein virtuelles Dinner auf dem Plan.
Vorlage zum «Zauberberg»
Dazwischen gibt es immer auch Gelegenheit, mit eher experimentellen Formaten zu punkten. Dazu gehört die Verschmelzung von Literatur und Video. Bereits vor zwei Jahren machte Zürcher einen virtuellen Austausch zwischen dem Autor Thomas Mann und den Besuchenden möglich, dieses Jahr bittet sie den Literaten gar im Waldhotel zu Tisch. Das bietet sich an, denn vor gut 100 Jahren, als seine Frau Katia in Davos zur Kur weilte, verbrachte sie ihre Tage in eben diesem Haus, damals Sanatorium Dr. Jessen geheissen. Heuer jährt sich die Erscheinung von Thomas Manns «der Zauberberg» zum hundertsten Mal. Der Anstoss zum Literaturklassiker liegt eben in Katias Aufenthalt und Thomas Besuch in Davos. Der «Zauberberg» ist im Waldhotel daher ständig ein Thema. «Demnächst reist eine Reisegruppe von Zauberberg-Kennern und -Liebhabern an. Sie haben sich dieses Hotel nicht zufällig ausgesucht», erzählt Zürcher.
Beim im Juli und August zur Ausführung kommenden Projekt «Being Thomas Mann», greift Zürcher auf die Zusammenarbeit mit dem bewährten Produktionsteam von «Raum+Zeit» zurück.
Erfolgreiches Projekt weiterführen
Sie waren es, die 2022 das bereits erwähnte «Thomas Mann@Davos» ins Waldhotel brachten. «Das war ein grosser Erfolg», erinnert sich Zürcher. Seither kamen die Videomacher erneut ins Waldhotel und fotografierten den Speisesaal. Das war der Auftakt für die insgesamt sechs Wochen dauernde Herstellung der aktuellen virtuellen Realität. «Ein 3-D-Artist arbeitet anhand von Originalfotos von 1912 die historischen Details nach», wird ein weiterer Schritt erklärt. Denn in der Inszenierung wird das von Mann in seinem Roman entworfene, gesellschaftliche Panorama auf die heutige Zeit bezogen: «Wie würde Thomas Mann Hans Castorp, Clawdia Chauchat, Mynheer Peeperkorn und Leo Naphta heute schreiben? Das Publikum begegnet dem Autor im Moment der Inspiration zu seinem Roman und vollzieht den Schöpfungsprozess nach, indem die Figuren in der virtuellen Realität lebendig beziehungsweise erschaffen werden.» Dabei spielt die Schauspielerin Judith Hofmann Hans Castorp, Sophie Hutter verkörpert Clawdia Chauchat, Michael Benthin Mynheer Peeperkorn, und Peter Jecklin ist Leo Naphta. Mit zur Atmosphäre gehöre auch ein spezieller Geräuschhintergrund. Das Ziel dabei sei, subtil den Realitätswechsel von der analogen in die virtuelle Realität spürbar zu machen, erklärt das Produktionsteam. Denn diese beiden sollen in «Being Thomas Mann» fast nahtlos miteinander verschmelzen. Während die Dinnergäste gemeinsam an einer langen Tafel sitzen, wird ihnen ein sehr reales Mahl serviert. Das Servicepersonal tritt dabei in der Sanatoriumszeit angepasster Kleidung auf, das Küchenteam hingegen kreiert ein raffiniertes, aber dem Heute entsprechendes Menü. «Was damals serviert wurde, passt kaum zu einem modernen Gaumen», erklärt Zürcher die Wahl. Zwischen den Gängen tauchen die Gäste über eine Videobrille immer wieder ein in die alternative Realität.
Einmal pro Monat
«Being Thomas Mann» ist eine abendfüllende Kombination zwischen Dinieren und Vorstellung, die zum ersten Mal am Donnerstag, 25. Juli, gegeben wird. Anschliessend findet jeweils einmal im Monat, nämlich am Freitag, 16. August, Samstag, 14. September und Freitag, 4. Oktober, ein Ereignis statt. «Ich empfehle eine rasche Anmeldung, ein Abend ist praktisch schon ausgebucht», sagt Zürcher.
Für die technische Betreuung inklusive Assistenz bei der Bedienung der Videobrillen werden übrigens noch «VR-Guides» gesucht.
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