Bündner Autorin Sarah Calörtscher gewinnt deutschen Förderpreis
Für ihr Stück «Herz aus Polyester» wird die Bündnerin Sarah Calörtscher mit dem diesjährigen Kleist-Förderpreis für junge Dramatikerinnnen und Dramatiker ausgezeichnet.
Für ihr Stück «Herz aus Polyester» wird die Bündnerin Sarah Calörtscher mit dem diesjährigen Kleist-Förderpreis für junge Dramatikerinnnen und Dramatiker ausgezeichnet.
Die Auszeichnung ist mit der Uraufführung ihres Stückes am Deutschen Theater Berlin verbunden. Calörtscher ist in der freien Szene als Dramaturgin, Musikerin und Autorin unterwegs. Sie ist Bündnerin, lebt in Zürich und erhält nun den 29. Kleist-Förderpreis für ihr poetisches Science-Fiction-Stück «Herz aus Polyester», wie die Verantwortlichen am Mittwoch bekannt gaben.
Damit geht dieser wichtigste Nachwuchspreis für deutschsprachige Bühnenautorinnen und -autoren erstmals seit 2015 wieder in die Schweiz. Für den diesjährigen 29. Kleist-Förderpreis seien insgesamt 61 deutschsprachige Stücke aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eingereicht worden. Allein 10 Prozent der Einreichungen seien aus der Schweiz gekommen - «eine gute Vertretung für das kleine Land», sagte Florian Vogel, Leiter der Jury am Mittwoch in einer Online-Medienkonferenz.
«Poetische» Science Fiction
«Herz aus Polyester» beschrieben die Verantwortlichen als poetisches Science-Fiction-Theater. Die Geschichte geht davon aus, dass der Mars die einzige Rettung vor dem Ressourcenmangel auf der Erde ist. Ein Algorithmus befindet darüber, wer auf der Erde Teil dieser multiplanetaren Gesellschaft werden darf. Für drei Erdlinge ist die Flucht auf den Mars die letzte Hoffnung - dies, weil die Menschheit seit Längerem begonnen hat, sich in Plastik zu verwandeln. Doch dann mischen sich weitere Stimmen ein: eine Mikroplastikteilchenband, der Muskel der Hoffnung, der die Feuerkugel reitende Urzwerg und die Voyagersonden I und II.
Calörtscher beschreibe eindrücklich die Angst vor Stillstand, die Hoffnungen und die Gier der Menschheit nach Fortschritt, begründete die Jury ihren Entscheid. Calörtscher zeige auf, «welche Möglichkeiten und Ausdrucksmittel das digitale Erzählen auf der Bühne bieten kann, ohne dabei das Menschliche aus den Augen zu verlieren.»
Jurymitglied Harald Wolff ergänzte, dass Calörtschers «spielerische Herangehensweise ohne moralische Wertung» an die Welt der Künstlichen Intelligenz sprachlich schön und formal neu sei, mithin zukunftsweisend.
Dramaturgin und Musikerin
Die Kleist-Förderpreisträgerin 2024 wurde 1991 in Graubünden geboren. Heute lebt und arbeitet sie in Zürich. Sie ist in der freien Szene als Dramaturgin, Musikerin und Autorin unterwegs. Am liebsten sitze sie vor Tastaturen, stellten sie die Verantwortlichen für den Kleist-Förderpreis vor. An Synthesizern textet sie Sound, am Computer komponiert sie Wortgebilde. Sie ist Mitbegründerin der Band «Strange Modes» und komponiert auch fürs Theater.
Calörtscher selber sagte, sie denke musikalisch beim Schreiben. Aber sie trenne zwischen Musikschaffen und Schreibe und hat deshalb auch für «Herz aus Polyester» die Musik nicht selber geschrieben. Über die Auszeichnung freue sich «jeden Tag», seit des Anrufs. Der Preis sei eine grosse Chance, und: «Es ist unfassbar, dass mein Stück am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt wird.»
Die Uraufführung ist für den 27. September geplant. Zwei Wochen später, am 9. Oktober, findet im ostdeutschen Frankfurt an der Oder die offizielle Preisverleihung statt. Auch an diesem Abend wird das prämierte Stück aufgeführt.
Förderprogramm Dramenprozessor
Geschrieben hat Calörtscher «Herz aus Polyester» im Rahmen des schweizerischen Förder- und Ausbildungsprogramm Dramenprozessor, ein Programm für szenisches Schreiben. Im Verlauf eines Jahres erarbeiten vier Teilnehmende einen fertigen Theatertext. Sie werden dabei von professionellen Theaterschaffenden aus den Bereichen szenisches Schreiben, Regie und Dramaturgie begleitet. Gegründet wurde das Programm 2000 am Theater Winkelwiese in Zürich. Dort in der Villa Tobler ist es bis heute beheimatet.
Zu den Erfolgsgeschichten des Programms gehören Schreibende wie Darja Stocker, Katja Brunner, Ariane Koch oder Kim de l‘Horizon (2020/21). Mit der Uraufführung in Berlin dürfte auch Calörtscher künftig in dieser Riege genannt werden. Projekte in der Schweiz seinen «derzeit noch offen», sagte sie. Bis anhin hat sie bereits am Theater Neumarkt oder am Kellertheater Winterthur, sowie mit einem Hörspiel für Schweizer Radio und Fernsehen SRF von sich reden gemacht.
Der Kleist-Förderpreis wird seit 1996 vergeben. Er richtet sich an Dramatikerinnen und Dramatiker, die nicht älter als 35 Jahre sind und ist dotiert mit einer Uraufführung des prämierten Stücks sowie 7500 Euro. Verantwortlich sind die Stadt Frankfurt an der Oder, das Kleist Forum sowie die Dramaturgische Gesellschaft. Benannt ist der Preis nach Heinrich von Kleist, dem deutschen Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Publizisten, der 1777 in Frankfurt an der Oder geboren wurde.