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Schweizer Regisseur porträtiert weltberühmte Feminismus-Ikone

In den 70-er Jahren als Pornografin verschrien, heute als feministische Ikone gefeiert: Mit «Erica Jong - Breaking the Wall» gelang dem Zürcher Filmemacher Kaspar Kasics ein beeindruckendes Porträt über die 80-jährige New Yorker Autorin Erica Jong.

Agentur
sda
04.01.23 - 08:00 Uhr
Kultur

Mit ihrem ersten Roman «Fear of Flying» (dt: «Angst vorm Fliegen») war Erica Jong ihrer Zeit voraus. In dem 1973 veröffentlichten Buch erzählte sie von einer Frau, die sehr selbstbestimmt durchs Leben geht, auch in sexueller Hinsicht. Dieser Part, dieser offene Umgang mit weiblichen Sehnsüchten und Frustrationen, war damals ein Tabubruch und für viele Menschen schwer einzuordnen. Für Erica Jong begann ein Leben in einem Spannungsfeld zwischen begeisterter Bewunderung und Verachtung.

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Wie die heute 80-jährige im Zoom-Interview mit Keystone-SDA erzählte, fühle sie sich besser respektiert und verstanden. Interviewsituationen (gerade jene mit männlichem Gegenüber) seien entsprechend einfacher geworden. «Ich habe schlimme Interviewsituationen erlebt früher», sagte sie. Heute habe sie aber keine Angst mehr, zumal sie sich mit Humor bestens verteidigen könne.

Insofern hat Erica Jong auch keinen Moment an der Zusammenarbeit mit Kaspar Kasics gezweifelt, nachdem er sie vor einigen Jahren brieflich kontaktiert und von seinem Vorhaben erzählt hatte. Im Gegenteil: Kasics glaubt sogar, dass die Schriftstellerin «die prozessische Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau», die ihre Begegnungen schliesslich gewesen seien, sehr spannend fand, wie er Keystone-SDA am Rande des Locarno-Filmfestivals 2022 erzählte. Es sei ein stetiger Austausch auf Augenhöhe gewesen.

Zwischen Tradition und Befreiung

«Erica Jong - Breaking the Wall» ist das Porträt einer humorvollen Denkerin und Feminismus-Pionierin, die mit ihren Ansichten aber immer wieder für Kopfschütteln sorgte. Ein Beispiel wird in einem Gespräch mit einer ihrer Schwestern genannt. Die Tatsache nämlich, dass Erica Jong als vehemente Feministin und lautstarke Verfechterin von Lust und sexueller Selbstbestimmung sehr traditionell geheiratet hat und in diesem Konstrukt bis heute sehr glücklich ist.

Doch genau das ist ihr Punkt: «Wenn man anerkennt, dass Frauen in der Gesellschaft zweitklassig sind, gleichzeitig aber Männer liebt und im Umgang mit gewissen Frauen so seine Probleme hat: Wo gehört man dann hin?», erwiderte die Schriftstellerin, auf dieses Spannungsfeld angesprochen. Dieses Dazwischen sei ihr Fokus, egal wie gross die Erklärungsnot sei. Sie stehe für diejenigen Frauen, «die Männer mögen, aber für sich selber einstehen und den Wunsch haben, ehrlich durch diese Welt zu gehen».

Kaspar Kasics gelingt es in seinem Dokumentarfilm, eine Autorin vorzustellen und in all ihren Facetten spürbar zu machen, ohne akribisch auf ihr Werk einzugehen. Das überraschte selbst Erica Jong, die nie wirklich daran geglaubt hatte, dass so etwas bei einer Person möglich sei, die ausgerechnet für ihr Schreiben berühmt ist. «Doch ich liebe den Film, er zeigt mich sehr angemessen.»

Wohnung und Umfeld im Visier

Menschen in ihrer Subjektivität zu zeigen, ist für Kaspar Kasics der Kern seiner Arbeit. In diesem Fall hat er dafür besondere Mittel gewählt. Er nahm etwa das New Yorker Appartement ins Visier, um die darin lebende Person zu beschreiben. «Diese Wohnung sollte sich Schritt für Schritt als ihr Biotop entfalten», sagte der Filmemacher in Locarno. Und auch Jongs Ehemann war immer wichtig. «Wie die beiden miteinander umgehen, machte mich von Anfang an neugierig.»

Die Szenen mit dem New Yorker Anwalt Ken Burrows, mit dem die Autorin seit 1989 verheiratet ist, gehören denn auch zu den Highlights des Films. Man spürt die Liebe, die Vertrautheit zwischen den beiden sehr stark - und ihr geteilter Humor sorgt für zahlreiche Lacher.

An dem Verhältnis zu Tochter Molly, die ebenfalls Schriftstellerin ist, zeigt sich dann aber auch die Schattenseite von Erica Jongs Berühmtheit. Erstere zeigt sich im Film nur von hinten, Red und Antwort steht sie nicht. Und aus zahlreichen, früheren Medienberichten geht hervor, dass das Mutter-Tochter-Verhältnis nicht immer einfach war. Gerade weil die Menschen, die ihre Wohnung besuchten, vor allem an der Mutter interessiert waren.

Erica Jong ist sich der Schwierigkeiten ihres öffentlichen Daseins bewusst, auch wenn die wirklich turbulenten Zeiten Jahrzehnte zurück liegen. Auf die Frage, wie es denn wirklich um die Beziehung zwischen ihr und ihrer Tochter stehe, sagt sie sanft: «Molly und ich haben ein gutes Verhältnis und können über alles reden. Aber sie ist nicht immer mit mir einverstanden, zum Glück.»

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