Schwindel frei in Davos
Am diesjährigen Davos Festival wird gelogen, dass sich die Balken biegen. 80 internationale junge Musikerinnen und Musiker widmen sich vom 6. bis 20. August dem Flunkern in der Musik.
Am diesjährigen Davos Festival wird gelogen, dass sich die Balken biegen. 80 internationale junge Musikerinnen und Musiker widmen sich vom 6. bis 20. August dem Flunkern in der Musik.

Sich im Konzert von Klängen beflügeln lassen, sich in eine romantische Welt träumen – ist das Selbstbetrug? Oder ist es eher Selbstschutz, wenn man sich in einer Scheinwelt oder Bubble bewegt, fragt Intendant Marco Amherd.
Mara Engel*
«Für mich ist Musik nie l’art pour l’art», erklärt er, sondern die sei immer durch die Biografie der Komponierenden oder den Zeitgeist geprägt. Dort schliesst die Philosophin und Fernsehmoderatorin Katja Gentinetta an, die im Eröffnungskonzert die Wahrheitsliebe politisch-philosophisch unter die Lupe nimmt. «Alles nur geklaut» ist das Programm übertitelt und schaut auf eine gar nicht seltene Form der musikalischen Schummelei – das Zitieren, das zwischen Huldigung und schlichtem Plagiat liegen kann. Beethoven hat hingegen einem geschätzten Geiger, George Bridgetower, das ihm zuvor zugeeignete Werk wieder weggenommen, wegen ungebührlichen Verhaltens. Er ersetzte den Widmungsträger durch den Namen Rodolphe Kreutzer. So ist das erste Werk des Abends zur berühmten Kreutzer-Sonate geworden. Das Eröffnungskonzert wird von in Davos bereits bekannten Young Artists wie der Perkussionistin Marianna Bednarska, aber vor allem neuen Künstlerinnen und Künstlern bestritten. Debütanten in der Familie der Young Artists sind das Quartetto Eos aus Rom, welches im letzten Jahr den Schweizer Kammermusikwettbewerb Orpheus Competition gewonnen hat, sowie das Trio Incendio aus Prag. «Das Davos Festival soll stets für solch junge Ensembles ein Sprungbrett sein, um ihre Musik einem breiten Publikum zu präsentieren. Ich bin auch sehr gespannt zu hören, wie sie sich seit dem letzten Jahr entwickelt haben.»
Frau Barock
Wie das Pseudonym Frau Bach im vergangenen Jahr begegnet dem Publikum diesmal Frau Barock, erklärt Marco Amherd: «2021 haben wir damit zum ersten Mal ein Orgelformat in der Kirche St. Theodul gestartet. Natürlich war ich gespannt, ob Orgelmusik bei unserem Publikum ankommen wird und war beglückt von der positiven Resonanz. Ich denke, dass vor allem die Kombination zwischen dem Offenen Singen am Morgen in der Pauluskirche und der anschliessenden kurzen Musikoase zur Attraktivität des Angebots beiträgt.» In diesem Jahr wird es beide Angebote wieder geben, doch die Organistin Anastasia Stahl wird nicht nur Musik von Bach, sondern Werke vom Frühbarock bis zum Spätbarock spielen. Dazwischen erklingen zeitgenössische Werke von Komponistinnen, gespielt nach dem bewährten Prinzip der Offenen Bühne von den Young Artists. Frau Barock wird aber auch in zwei sonntäglichen Matineekonzerten im Kirchner Museum Davos zu erleben sein. Das erste Mal am Sonntag, 7. August, etwa mit einem Programm für Violine, Violoncello und Harfe.

Meisterinnenwerk
Pseudonyme spielen auch an diesem Sonntagabend im Kongresszentrum eine Rolle. Ein wahres Freudenprogramm wartet auf mit Komponistinnen, die unter männlichem Decknamen publizierten oder ihre Vornamen in eine geschlechtsneutrale Kurzform brachten. Aber welch positive Kraft liegt in Werken einer «Poldowski» oder einer «Mel»! Oder einer Rebecca Clarke, deren unter ihrem Namen veröffentlichte Musik verrissen wurde, während dieselben Stücke, unter Pseudonym präsentiert, nur Lob ernteten. Ihre Bratschensonate, gespielt vom niederländisch-französischen Bratschist Sào Soulez Larivière, ist ein Meisterinnenwerk!
Alle Infos, das ganze Programm und Tickets auf www.davosfestival.ch
*Mara Engel berichtet über Davos Festival