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Dagmar Doll: «Musik berührt weit mehr als den Verstand»

Am Sonntag sind in der Stadtkirche Glarus unter dem Titel «Wort und Musik» Gedichte von Rainer Maria Rilke und Musik von Ernest Bloch, Samuel Barber, Arvo Pärt und Leos Janáček zu hören.

Südostschweiz
19.04.23 - 04:30 Uhr
Kultur
In der Stadtkirche Glarus: Pfarrerin Dagmar Doll trägt am Sonntag Gedichte vor.
In der Stadtkirche Glarus: Pfarrerin Dagmar Doll trägt am Sonntag Gedichte vor.
Pressebild

von Swantje Kammerecker

Nach dem letztjährigen Erfolg des Formats «Wort und Musik» in der Stadtkirche Glarus wird nun am gleichen Ort wieder eine Lesung mit Musik angeboten. Das Programm haben Konzertmeister Peter Ferndriger und Reto Cuonz, Dirigent des Glarner Kammerorchesters, speziell für die tragende Akustik der Alpenkathedrale zusammengestellt.

Die Orgel übernimmt im «Concerto Grosso Nr. 1» von Ernest Bloch mit dem ursprünglich für Klavier gesetzten Solopart eine tragende Rolle. Sie erweitert den Klang des Streichorchesters auf symphonische Dimensionen. Möglicherweise ist mit der von Organistin Lara Schaffner eingerichteten Orgelfassung sogar eine Uraufführung zu hören.

In Arvo Pärts meditativem Stück «Fratres» kommt ein von Christoph Kobelt gespieltes Schlagwerk dazu. Alle gespielten Werke stammen aus dem letzten Jahrhundert. Erfahrungen wie Krieg, Flucht, Emigration betrafen dabei nicht nur Rainer Maria Rilke (1875 bis 1926), dessen Gedichte von Dagmar Doll rezitiert werden, sondern auch manche Komponisten. Sie decken eine grosse Spannweite emotionaler Erfahrungen ab – vom verträumten oder melancholischen bis zum kraftvollen, aufwühlenden Gestus.

Protagonisten des Anlasses sind das Glarner Kammerorchester unter Reto Cuonz, die Organistin Lara Schaffner und Pfarrerin Dagmar Doll. Sie erklärt, wieso sie diese Art einer Veranstaltung spannend findet.

Frau Doll, wieso haben Sie für «Wort und Musik» Gedichte von Rilke ausgesucht? Und werden die Gedichte auch kommentiert?

Dagmar Doll: Mein Zugang zu Rilke ist emotionaler Art. Das Gedicht «Die Blätter fallen» bewegt mich jedes Mal, wenn ich es lese oder höre, zutiefst. Die darin enthaltene Melancholie und der hoch emotionale Schlusssatz «und doch ist einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält» berühren mein christliches Empfinden und lassen mich demütig und glücklich vor Gott stehen. Darüber hinaus ist Rilke wohl der Dichter, dessen Gedichte mich persönlich seit vielen Jahren am meisten begleiten. Ich werde etwas zu Rilke und seiner Art der Dichtkunst erzählen. Die Gedichte lasse ich weitestgehend unkommentiert. Sie stehen für sich. Ich hoffe, ich zeige mich seiner würdig, wenn ich sie vorlese.

Wie stehen Texte und die Musik miteinander in Beziehung?

Ähnlich wie das Nicht-Kommentieren der Gedichte soll auch die Musik für sich stehen. Musik berührt weit mehr als den Verstand. Da steht sie mit Religion und Dichtkunst auf einer Stufe. Ich persönlich lasse gerne auf mich wirken und freue mich, wenn ich nicht nüchtern erklären oder verstehen muss. Die ausgewählte Musik passt zeitlich in etwa die gleiche Epoche. Dies wird sich auf das Erleben auswirken.

Welche Bedeutung hat das Format «Wort und Musik» im Kulturleben der Stadtkirche und für Sie?

Das Format «Wort und Musik» in der Stadtkirche ist recht neu, wenigstens für mich als Lesende. «Wort und Musik zu Dietrich Bonhoeffer» hat im letzten Jahr den Auftakt gemacht. Dabei habe ich gemerkt, wie sinnvoll es ist, das gesprochene und gehörte Wort durch die Musik nachklingen zu lassen. Im Übrigen liegt hier auch der Sinn eines Musikstückes nach der Sonntagspredigt. Hier noch einmal nachsinnen und nachwirken zu lassen, tut der Seele gut, mehr als jedes Dessert nach einem guten Essen.

«Für mich persönlich ist Sprache etwas Wunderbares.»

Dagmar Doll, Pfarrerin in Glarus-Riedern,

Wie wichtig ist die Organistin für diesen Anlass?

Wir dürfen uns in der Stadtkirche glücklich schätzen, mit Lara Schaffner eine besonders einfühlsame und versierte Organistin hören zu dürfen. Dies ist ein Geschenk, es bereichert unsere Gottesdienste und unsere Konzerte sehr. Für mich persönlich ist Sprache etwas Wunderbares. Ich mag es ausserordentlich, wenn jemand ganz aus sich heraus eine gewählte Sprache führt, die selbstverständlich wirkt – und nicht gestelzt oder anerzogen. Jemandem wie Rilke eine Stimme geben zu dürfen, erachte ich als Privileg.

Für wen ist die Veranstaltung geeignet?

«Wort und Musik» ist etwas für Liebhaberinnen und Liebhaber von guter Musik und guter Dichtkunst. Dabei spielt das Alter oder die Verfassung des oder der Einzelnen keine Rolle. Die Türen stehen allen offen, es braucht keine teure Eintrittskarte, wie sich das bei einer kirchlichen Veranstaltung gehört. Rilke hat ausgesprochen religiöse Texte geschrieben, und in jedem Werk steckt sicher auch immer eine besondere innere Haltung. Ich werde bewusst weltliche und religiöse Texte wählen. Anders würden wir dem Dichter wohl nicht gerecht.

Was wünschen Sie sich für diesen Anlass?

Ich wünsche mir, dass Wort und Musik es vermögen, den Menschen, die sich in die Stadtkirche aufmachen, ein emotionales und sättigendes Programm zu bieten. Man muss nicht verändert aus dem Abend hinausgehen, vielleicht aber bereichert.

«Wort und Musik», Sonntag, 23. April, um 17 Uhr in der Stadtkirche Glarus. Eintritt frei, Kollekte. Weitere Informationen unter www.reformiert-glarus.ch und www.gko.ch.

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