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Emissionsrechner für Filmschaffende: «Es geht um das Bewusstsein»

Was würde das bedeuten, ein klimaneutraler Film? Können Filme überhaupt umweltschonend produziert werden? Wie bewegt man Filmschaffende zum ökologisch nachhaltigen Arbeiten? Susa Katz von der Zürcher Filmstiftung hat Antworten auf diese Fragen.

Agentur
sda
16.12.21 - 09:42 Uhr
Kultur
Susa Katz, stellvertretende Geschäftsführerin der Zürcher Filmstiftung, setzt sich seit Jahren für ökologisch nachhaltiges Filmen ein.
Susa Katz, stellvertretende Geschäftsführerin der Zürcher Filmstiftung, setzt sich seit Jahren für ökologisch nachhaltiges Filmen ein.
Keystone/MICHAEL BUHOLZER

«Wir wissen nicht genau, wie umweltschädlich eine Filmproduktion ist. Dazu fehlen uns momentan noch die richtigen Werkzeuge.» Das sagt Susa Katz von der Zürcher Filmstiftung, die sich trotz dieser ernüchternden Antwort besser mit Fragen der Nachhaltigkeit auskennt als die meisten Leute im Schweizer Film. Das Thema hat sie schon seit über zehn Jahren auf der Agenda. Sie hat verschiedene Arbeitsgruppen mitgegründet, Initiativen gestartet und Manifeste unterzeichnen lassen.

Ursprünglich von der Produktion kommend, war Katz über drei Jahre lang Leiterin der selektiven Filmförderung beim Bundesamt für Kultur; seit 2016 ist sie stellvertretende Geschäftsführerin der Zürcher Filmstiftung. Obige Aussage ergänzt sie damit, dass die Situation bereits nächsten Sommer besser sein wird, wenn ein eigens für die Filmproduktion kreierter Emissionsrechner für alle Filmschaffenden verfügbar gemacht werden soll.

«Das Klimathema ist auch für die Kultur relevant», betont Susa Katz im Gespräch mit Keystone-SDA. «Auch wenn man da manchmal ja nicht so genau hinschaut - die Produktion eines Films kann schon sehr umweltbelastend sein.» Wobei die Schweizer Produktionen - auch wenn das Thema etwa in England oder den USA präsenter ist - schon immer relativ effizient und umweltschonend gewesen seien.

«Der Recyclinggedanke sitzt bei uns tief. Zudem sind die Wege eher kurz, es gibt keine grossen Fuhrparks, die Teams sind traditionell kleiner. Und uns liegt es fast schon in der DNA, dass wenn im Wald gedreht wird, man da nicht alles zertrampelt.» Sie sei immer wieder ein bisschen amüsiert darüber, wie stolz jetzt etwa italienische Filmteams darüber seien, dass sie keine Plastikbecher mehr auf dem Set benutzen. «Aber jeder noch so kleine Fortschritt ist gut.»

Es betrifft alle

Mit dem Argument, dass eine Filmproduktion im Vergleich zu anderen Industrien viel weniger umweltschädlich sei, kann Susa Katz ähnlich wenig anfangen wie mit jenem, dass die Schweiz als kleiner Staat im globalen Kontext kaum eine Rolle spielt. «Man kann das Thema nicht isoliert betrachten - für einen Menschen, einen Film oder ein Land. Es betrifft uns alle.»

Doch solle weder etwas verboten, noch auf gewisse Filme verzichtet werden. Es gehe auch nicht um die Frage, wieviel CO2 pro Produktion angemessen sei. «Filmschaffende sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie ihr Film das Klima beeinflusst.» Dafür braucht es Informationen und vor allem harte Daten, die beispielsweise der Rechner liefern soll, oder ein Tool wie die Website sustainablearts.ch, die im Januar an den Solothurner Filmtagen vorgestellt wird.

Es gehe vielmehr um die Frage, ob man im Urwald drehen müsse, wenn es auch im Graubünden ginge. Ausserdem lasse man ein Crewmitglied vielleicht nicht mehr jeden Tag von Berlin in die Schweiz und zurück fliegen, nur weil das weniger kostet als die Übernachtung im Zürcher Hotel. Während andere Dinge dann wiederum unumgänglich seien.

Wandel auch im Film selber

«Wenn man den Verbrauch erst einmal in Zahlen sieht, gibt das automatisch einen Lerneffekt. Man plant besser und es sind gar keine Vorschriften mehr nötig», sagt Katz. Man beginne automatisch damit, Routinen zu hinterfragen. Oder komme auf gute Ideen, wie das Teilen des Sets mit einer anderen Produktion. «Es geht weder um Kritik noch um Bestrafung. Sondern alleine um das Bewusstsein - und darum, sich immer wieder die Frage zu stellen: Ist es uns das wert?»

Ein anderer Wert lässt sich nur schwer berechnen: die Wirkung der Produktionsinhalte auf unser Verhalten. Der Film ist schliesslich dazu prädestiniert, bestehende Modelle zu hinterfragen und neue vorzuschlagen: «Das muss nicht einmal didaktisch geschehen», so Katz. «Die 'Tatort'-Kommissarinnen fahren mit dem Velo zur Arbeit. Jemand, bringt in einer Szene statt den Müll halt den Kompost raus. Und warum sollte der Actionheld eigentlich nicht mit einem elektrischen Auto unterwegs sein?» Der Klimagedanke müsse einfach normalisiert werden. «So wie es für uns auch fast unvorstellbar ist, wie viel die Leute in alten Filmen geraucht haben.»

*Dieser Text von Dominic Schmid, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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