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«Suot tschêl blau» im Kulturplatz Davos

In der atemberaubenden Berglandschaft des Engadins, unter dem tiefblauen Himmel, beginnt in den 1980er-Jahren ein Drama…

Davoser
Zeitung
26.05.21 - 12:00 Uhr
Kultur
«Die Schönheit dieser Landschaft provoziert, immer will man noch mehr und noch höher», sagt einer der Protagonisten.
«Die Schönheit dieser Landschaft provoziert, immer will man noch mehr und noch höher», sagt einer der Protagonisten.
zVg/Outside the Box

Im Sog der Zürcher Jugendbewegung verbreitet sich das Heroin auch im Oberengadin, unter ­anderem in Samedan. Der Dokumentarfilm «Suot tschêl blau» von Ivo Zen nimmt sich erstmals dem Thema an, das die Dorfgemeinschaft bis heute spaltet. Der Kulturplatz Davos zeigt den Film am Donnerstag, 27. Mai, in Anwesenheit des Regisseurs.

Die Gesellschaft in den Gemeinden des Oberengadins war Anfang der 1980er im Wandel begriffen. Der Fremdenverkehr wuchs rasant, und in der Bauindustrie gab es viel Geld zu verdienen. Zuzüger brachten neue Sichtweisen in die Dörfer, ausländische Gäste öffneten vielen jungen Menschen die Augen für eine andere Welt. Der Dorfplatz von Samedan wurde zum Treffpunkt einer Engadiner Jugend, die sich den traditionellen Gesellschaftsregeln widersetzte, gemeinsam Musik machte und kiffte – und mit Heroin in Kontakt kam.

Eine rebellische Jugend, die Drogen konsumiert und herumlungert, passte nicht ins Bild der grossartigen Bergwelt, das die Tourismusbranche vermittelte. Der Stopp AIDS-Kampagne wurde es zu Beginn der 1990er Jahre nicht erlaubt, am Bahnhof Samedan einen Automaten zur Abgabe von sauberen Spritzen aufzustellen. Viel lieber verklärte man die weltberühmte Landschaft des Oberengadins: das aussergewöhnliche Licht, den weiten Himmel des Hochtals, die Seen, Berge und Gletscher.

«Man spricht gern vom Engadiner Himmel, von seiner überraschenden und tiefen Bläue. Für viele besitzt diese zugleich warme und harte Landschaft eine, wenn man so will, mysteriöse Anziehungskraft.» Diese Sätze der Schweizer Schriftstellerin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach (1908–1942) leiten «Suot tschêl blau» (zu Deutsch: «Unterm blauen Himmel») ein. Schwarzenbach ist die Vorläuferin der Engadiner Jugendlichen der 1980er und 1990er. Schon ihre Dissertation schrieb sie über diese Landschaft, über diesen tiefblauen Himmel. In ihrem Haus am Silser See setzte sie sich oft die Nadel in den Arm; das Morphium bezog sie in der Apotheke von Samedan.

Regisseur Ivo Zen, 1970 in Santa Maria im Val Müstair geboren und dort aufgewachsen, dokumentierte bereits in seinem letzten Film «Zaunkönig – Tagebuch einer Freundschaft» den Traum von Höhenflügen und den Absturz in die Drogen. Dass er, nur gerade ein Tal weiter, nichts von der Revolte seiner Altersgenossen in Samedan wusste, wundert ihn. «Bis heute fällt es vielen schwer, über dieses schmerzhafte Kapitel in der Geschichte des Dorfes zu sprechen», sagt er. «Doch trotz der Widerstände wurde mir auch klar, dass diese Zeit in der Erinnerung vieler einen wichtigen Platz einnimmt, und dass ein Bedürfnis nach Aufarbeitung besteht.»

Im Anschluss an die Vorführung im Kulturplatz Davos beleuchtet Ivo Zen im Gespräch mit Esther Brühlmann die Hintergründe des Films und dessen Entstehung.

 

Tickets sind online unter www.kulturplatz-davos.ch oder in jeder Postfiliale erhältlich. (pd)

 

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