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Schnüre statt Glasfaser - Vernetzungs-Kunstwerk in Altstätten SG

Ein Netzwerk aus Schnüren soll in Altstätten im St. Galler Rheintal alle Haushalte verbinden. Die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin wollen mit ihrem Vorhaben Projekt zum Nachdenken über digitale Netze anregen.

Agentur
sda
29.10.20 - 10:08 Uhr
Kultur
Schnüre statt Glasfasern: Die Konzeptkünstler Frank (Mitte) und Patrik Riklin sowie Stadtpräsident Ruedi Mattle (rechts) bei der Verlegung des "Analogen Fadennetzes".
Schnüre statt Glasfasern: Die Konzeptkünstler Frank (Mitte) und Patrik Riklin sowie Stadtpräsident Ruedi Mattle (rechts) bei der Verlegung des "Analogen Fadennetzes".
Keystone/GIAN EHRENZELLER

Die beiden Künstler und die Stadt Altstätten informierten am Donnerstag über das Projekt, an dem auch ein örtlicher Kulturverein beteiligt ist. Damit das Netz gelinge, brauche es viel Faden, hiess es. Ab sofort sei das Altstätter Rathaus eine Fadensammelstelle.

Wer will, kann Packschnüre und Fäden abgeben. Ab dem kommenden Montag gehen die Künstler-Zwillinge auch persönlich auf «Fadenjagd». Ausgehend vom Dorf Lüchingen, das zu Altstätten gehört, wollen sie durch die Quartiere streifen, an Haustüren klingeln und Packschnüre sammeln.

Für eine coronakonforme Fadenjagd benutzen Frank und Patrik Riklin wenn nötig einen drei Meter langen Erntepflücker-Stab. Aus den gesammelten Fäden soll danach ein Netz geknüpft werden, das «alle Haushalte durch Gärten, über Strassen und Felder wortwörtlich analog verbindet».

Dabei hoffen die Künstler auf Mithilfe von Einzelpersonen, Schulklassen und Vereinen. Eine Schlüsselrolle spiele dabei der Altstätter Kulturverein «Staablueme», der aus Anlass seines 40-jährigen Bestehens der Stadt ein Geburtstagsgeschenk der besonderen Art machen wolle.

Digitalisierung hinterfragen

Mit ihrer «Vernetzungs-Skulptur» möchten die Riklin-Brüder zum Nachdenken über die Digitalisierung anregen. Laut Zukunftsforschern müsse sich die Menschheit revolutionieren, wenn sie sich durch die unaufhaltsame Digitalisierung nicht selber abschaffen wolle.

Deshalb sei es sinnvoll, gleichberechtigt auf das Analoge zu setzen. Dies müsse keine Ablösung des Digitalen sein, sondern «eine Ergänzung und Rückbesinnung zum Handfesten, zum Konkreten, zum Realen», schreiben sie.

«Neben den Investitionen in die Infrastrukturen werden die Kommunen künftig verstärkt in die Gesellschaft investieren müssen», wird Stadtpräsident Ruedi Mattle im Communiqué zitiert. Gerade in Zeiten grosser Veränderungen, in der viele Menschen Identität und Zusammenhalt suchten, sei solcher «vermeintlicher Blödsinn» durchaus sinnvoll.

Die erste Phase des Projekts finanzieren die Stadt und der Kulturverein «Staablueme» gemeinsam. Über den weiteren Verlauf soll danach die Bürgerschaft entscheiden. Das Projekt werde bestimmt kontrovers diskutiert werden, erwartet Mattle. Dies gehöre zu einem aktiven Zusammenleben.

Eigenwillige Künstler

Die St. Galler Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin gehen mit ihrem «Atelier für Sonderaufgaben» seit 20 Jahren der Frage nach, «inwieweit sich das Potenzial der Kunst erweitert, wenn sie den repräsentativen Rahmen verlässt und direkt in sozial-gesellschaftliche Realitäten eingreift».

Ihr Fadennetz-Projekt wollten sie ursprünglich im Limmattal verwirklichen, was aber nicht klappte. Im Sommer hatten die Brüder vor der St. Galler Kathedrale ihre «Zehn Gebote, Vol. 2» in Sandstein gemeisselt, nach Zürich transportiert und dort in einem Kanal «ausgesetzt».

Auf Anordnung der Zürcher Stadtbehörden mussten sie die tonnenschweren Gebotstafeln wieder aus dem Wasser holen. Sie sollen jetzt im Museum für Kommunikation in Bern Platz einen Platz erhalten, wie Patrik Riklin erklärte.

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