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«Es ist eine Ode an 'Bschisser'»

Gimma ist als «Künstler des Jahres 2019» nominiert. Grund dafür ist sein neustes Album «Kartellmusig». Doch was hat es damit auf sich?

Kristina
Schmid
30.03.20 - 04:30 Uhr
Kultur
Gimma hat mit seinem neuen Album für Aufsehen gesorgt.
Gimma hat mit seinem neuen Album für Aufsehen gesorgt.
MARCO HARTMANN

Das Thema hat Gian-Marco Schmid interessiert, noch bevor der grösste Kartell-Skandal der Schweiz überhaupt aufgedeckt wurde: das Thema Kartell. Und so hatte Gimma, noch während er an seinem neusten Album arbeitete, bereits in einem Song dieses Thema angeschnitten. Aber ansonsten hatte er viele Songs, aber keinen Leitfaden. Dann kamen die Schlagzeilen. Die wirtschaftliche Schandtat, der Bündner Baukartell-Skandal, war in aller Munde. Und er beschloss, dem Thema noch mehr Platz zu geben.

«In Mexiko gibt es ja eine ganze Stilrichtung von Kartell-Musik, namentlich die Narcocorridos. Es sind Drogen-Balladen, in denen Dealer die Helden sind. Und ich dachte mir: Wenn bei uns also alles 'Bschisser' sind, dann lass uns doch eine Ode an 'Bschisser' schreiben», sagt Gimma und lacht. So wie dieser Satz sind auch die Lieder auf dem Album, in denen es um den Skandal geht. Sie sind nicht kritisch, sie nehmen einfach das Phänomen als Thema auf.

Wenn es persönlich wird

«Was mich an diesem Skandal so fasziniert hat, ist, wie aus etwas, das notwendig war, etwas wurde, das illegal ist», sagt Gimma. Er glaubt, dass sich dieses System aufgrund der Mehrsprachigkeit und der geografischen Situation fast schon so entwickeln musste. «Die Konsequenzen, die jetzt gezogen wurden, sind absolut richtig. Aber man darf nicht glauben, dass da eine Boshaftigkeit dahinter steckte», sagt Gimma. Dass er selbst irgendwann mittendrin steckte, liess ihn das Ganze noch mehr mit Humor sehen, und nicht etwa mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. «Einer meiner Schulfreunde sass in der PUK, mein Nachbar verlor seinen Job wegen des Skandals, ich selber habe irgendwann auch eine Vorladung erhalten und etwas verloren. Ich bin in das Thema reingerutscht und fand es irgendwann lustig zu sehen, wie alles ins Rudern gerät, sobald der Begriff Kartell fällt.»

Der Baukartell-Skandal ist aber nicht das einzige Thema, das auf dem Album seinen Platz findet. Er schreibt und rappt auch über Herzschmerz. Drogen. Abstürze. Den Kater am Tag danach. Und über gescheiterte Liebesbeziehungen. Letzteres etwa wird besonders im Song «Eh nid ewig» zum Thema. Gimma setzt sich mit seinen Emotionen auseinander, reflektiert, weshalb er in den bisherigen Liebesbeziehungen scheiterte. «Ich wollte ein Lied der totalen Hoffnungslosigkeit schreiben. Darüber, weshalb meine Beziehungen 'eh nid ewig' halten.»

Wer sich das Video ansieht, hat das Gefühl, Gimma rede da von einem ganz anderen Song. Grund dafür: Bei der Umsetzung des Videos hatte Gimma Regisseur Julian M. Grünthal freie Hand gelassen. «Julian hat das ganze so umgesetzt, dass es da plötzlich um jemandes Karriere geht, die zugrunde geht, weil eben nie alles ewig währt», sagt Gimma.

Intimität und Scheitern

Zum Album «Kartellmusig» ist auch ein Büchlein erschienen, in dem neben den Songtexten auch Gedichte und Kurztexte ihren Platz finden. In diesem gibt Gimma wie immer sehr intime Einblicke in seine Gefühlswelt. «Die Scham ist irgendwann weg. Ich hab über alles in meinem Leben geschrieben. Und jetzt bin ich wie eine durchsichtige Person», sagt Gimma. Wer seine Lieder kenne und seine Texte lese, der wisse alles über ihn. 

Jury-Entscheid:

«Bei Gimma könnte man fast schon sagen: Es ist eine Nominierung für einen Life Achievement Award. Der quirlige Wahl-Haldensteiner Wortakrobat schafft es immer wieder mit coolen Songs und Produktionen, die auch zum Nachdenken anregen, auf sich aufmerksam zu machen. Gimma ist ein Mann, dessen grosses Herz sehr für das einheimische Schaffen schlägt.»

Stämpf, Musikexperte und Jury-Mitglied des Bündner Music Award

Zurzeit hat Gimma nur noch ein grosses Projekt am Laufen, das ihn bis Mai 2021 begleiten wird: sein Scheiterjahr. Wie er erklärt, setzt er sich jetzt ein Jahr lang mit dem Scheitern auseinander. «Ich poste Beiträge zu diesem Thema. Teils humoristische, teils ernste Beiträge. Ausserdem führe ich zurzeit ein Tagebuch und trage Ideen zusammen, die mir zu diesem Thema in den Sinn kommen», sagt Gimma. «Irgendwann werde ich damit auf die Bühne gehen. Aber ich habe noch keine Ahnung, in welcher Form das sein wird.» Es steht aber jetzt schon fest: Es wird keine Lesung sein. Und auch kein Konzert. Wir sind gespannt.

Kristina Schmid berichtet über aktuelle Geschehnisse im Kanton und erzählt mit Herzblut die bewegenden Geschichten von Menschen in Graubünden. Sie hat Journalismus am MAZ studiert und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern im Rheintal, worüber sie in ihrem Blog «Breistift» schreibt. Mehr Infos

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