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Kunstmuseum Bern deckt Defizit mit Verkauf von Gurlitt-Bild

Das Kunstmuseum Bern verkauft ein Gemälde von Édouard Manet nach Tokio. Das Gemälde stammt aus dem Gurlitt-Erbe und soll nun für 4 Millionen Dollar in die Tokioter Sammlung eingehen. Der Erlös soll das Defizit des Kunstmuseums Bern ausgleichen.

Agentur
sda
08.11.19 - 11:44 Uhr
Kultur
"Marine, Temps d’orage" (1873) des französischen Impressionisten Édouard Manet hat das Kunstmuseum Bern im Zuge des Gurlitt-Erbes 2014 erhalten. Jetzt verkaufen die Berner das Gemälde für 4 Millionen Dollar nach Tokio.
"Marine, Temps d’orage" (1873) des französischen Impressionisten Édouard Manet hat das Kunstmuseum Bern im Zuge des Gurlitt-Erbes 2014 erhalten. Jetzt verkaufen die Berner das Gemälde für 4 Millionen Dollar nach Tokio.
Kunstmuseum Bern

Das Gemälde «Marine, Temps d’orage» (Stürmische See) von 1873 des französischen Impressionisten Édouard Manet war zuletzt als Leihgabe im National Museum of Western Art (NMWA) in Tokio ausgestellt worden. Es war Bestandteil einer Ausstellung anlässlich des 60. Jubiläums des Tokioter Museums gewesen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte «Marine, Temps d’orage» einem japanischen Industriellen gehört, der in Paris lebte. Dieser hatte während seiner Zeit in Europa eine grosse Kunstsammlung angelegt, darunter eine ganze Reihe von Meisterwerken des französischen Impressionismus. Er wollte mit diesen Werken in seiner Heimat Japan ein Museum gründen.

400 Kunstwerke in Paris

Aus finanziellen Gründen und wegen politischer Umstände musste er nach Japan zurückkehren und sein Projekt der Museumsgründung aufgeben. Rund 400 Kunstwerke liess er in Paris zurück.

Als 1940 die Nationalsozialisten Paris besetzten, wurden die Gemälde der Sammlung in der Nähe von Paris untergebracht, wo ein japanischer Marineoffizier im Ruhestand die Interessen seines Landsmannes vertrat. Um die Kosten für die Aufbewahrung der Sammlung zu decken, verkaufte dieser Marineoffizier zwanzig Gemälde aus der Sammlung, so auch «Marine, Temps d’orage». Der Manet gelangte dann in den Besitz von Hildebrand Gurlitt, dem Vater von Cornelius.

Die restlichen Werke de Sammlung retournierte Frankreich 1959 an Japan. Das hatte die Gründung des NMWA vor 60 Jahren zur Folge.

«Marine, Temps d’orage» schliesslich erbte das Kunstmuseum Bern 2014 als Teil des Legats Gurlitt. Es gehörte zu den über 1500 Werken, die 2012 an den beiden Wohnorten von Cornelius Gurlitt gefunden worden waren. Durch entsprechende Verkaufsunterlagen konnte die Provenienz des Manet-Gemäldes «eindeutig festgestellt werden», wie das Kunstmuseum Bern am Freitag mitteilte. Das heisst, es wurde nachgewiesen, dass das Manet-Gemälde «erwiesenermassen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Nazi-Raubkunst» ist.

Das Kunstmuseum Bern hat sich im Zusammenhang mit dem Gurlitt-Erbe das Recht ausbedungen, «Werke zu verkaufen für den Fall, dass durch die Abwicklung der Erbschaft Gurlitt eine nicht tragbare finanzielle Belastung entstünde», heisst es in der Mitteilung weiter. Das scheint nun der Fall zu sein.

Rückkehr in einstige Sammlung

Das Berner Museum verkauft «Marine, Temps d’orage» für 4 Millionen Dollar an das NMWA und damit an eine Institution, mit der das Werk historisch verbunden ist; zudem kehrt «Marine, Temps d’orage» in jene Sammlung zurück, zu der es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gehört hatte. Mit dem Erlös deckt das Kunstmuseum Bern sein Defizit von derzeit etwa 4 Millionen Franken.

Entstanden sei das Defizit, so die Begründung des Kunstmuseums Bern, im Zusammenhang mit dem Gurlitt-Erbe, durch Rechts- und Beratungskosten, Ausgaben für Provenienzforschung, Restaurierungsarbeiten, die Bearbeitung von Ansprüchen und die Durchführung von den zwei Ausstellungen, die sich 2017 und 2018 mit der Herkunft der Gurlitt-Werke beschäftigten: «Bestandsaufnahme Gurlitt. 'Entartete Kunst' - Beschlagnahmt und verkauft» sowie «Bestandsaufnahme Gurlitt Teil 2. Der NS-Kunstraub und die Folgen».

Dabei betont das Kunstmuseum in der Mitteilung, dass es von dem Gurlitt-Erbe «nicht finanziell profitieren möchte». Vielmehr habe man sich verpflichtet, einen eventuellen Überschuss aus dem Verkauf «ausschliesslich für weitere Provenienzforschung zum Legat Gurlitt einzusetzen».

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