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Ungewohnte Sichtweisen auf Werke, die stauen

In seinem neuen Bildband «Stau-Werke» zeigt der Fotograf Simon Walther aus Maloja 47 Staumauern aus ungewohnten Perspektiven. Köbi Gantenbein, der Verleger der Architekturzeitschrift «Hochparterre», hat ein persönliches Essay dazu verfasst.

Südostschweiz
23.10.19 - 04:30 Uhr
Kultur
Auch im Bergell unterwegs: Im Bildband von Simon Walther findet sich unter anderem diese Aufnahme der Albigna-Staumauer.
Auch im Bergell unterwegs: Im Bildband von Simon Walther findet sich unter anderem diese Aufnahme der Albigna-Staumauer.
PRESSEBILD

Simon Walther versteht Fotografie nicht nur als Darstellung und Dokumentation. So zeigt er in seinem neuen Bildband «Stau-Werke» Staumauern aus unbekannten Blickwinkeln. Walther sucht laut Mitteilung das Künstlerische in den monumentalen Bauten, die sonst nur praktischen Zwecken dienen. Er findet es in extremer Bildauflösung – fast so hoch wie die Mauern selbst.

An Grenzen gestossen

Die Staumauern aus ungewohnten Perspektiven einzufangen, war aufwendig: Meist versteckte sich der ideale Standort oder war gar abgesperrt. Walther überwand für seine Bilder viele Höhenmeter, um den besten Ort zu finden; wartete stundenlang auf perfektes Licht. Oft war er noch unterwegs, wenn die Sonne unterging, oder wanderte los, wenn die Nachtruhe für viele beginnt. Er stand am Abgrund und stiess an Grenzen – physische und bauliche. Fotografieren braucht Geduld und den Blick für das Besondere. Das beste Bild ist nicht planbar: Aus einem Sternverlauf in klarer Nacht wurde zum Beispiel ein mystisches Nebelbild. Köbi Gantenbein gewährt dem Leser in seinem Essay sehr persönliche Einblicke in eine Kindheit und Jugend, die von der Wasserkraft geprägt war. Er wuchs im Engadin auf; Marmoreras Schicksal beschäftigte ihn bereits als kleiner Junge, als Bündner und als Politiker kennt er die wirtschaftliche Bedeutung der Wasserkraft für seinen Kanton und die Bedrohung der Wasserwirtschaft für die Landschaft.

Strom durch Wasserkraft

Produziert wird Strom dank mächtiger und komplexer Bauwerke hoch oben in den Bergen. Die Staumauern sperren Täler, längst sind die tausenden Tonnen Beton mit der Landschaft verwachsen. Die erste Staumauer in Europa wurde 1872 an der Saane bei Fribourg erbaut und läutete damit das Kapitel des Wasserstroms in der Schweiz ein. Heute gehören die mehr als 200 Talsperren in der Schweiz zur Kultur und zur Landschaft der Alpen. Komplexe Systeme aus Fassungen, Ausgleichsbecken, Stollen, Pumpanlagen, Turbinen und Stromleitungen produzieren 36,3 Terawattstunden Strom.

Walther verleiht dieser unvorstellbar abstrakten Zahl ein Gesicht. Als Betrachter sehen wir immer nur den Augenblick, in dem Walther auf den Auslöser drückte. In warmen Sommernächten, in verschneiten Tälern, bei Nebel – zu Uhrzeiten und Unzeiten, zu welchen viele sich kaum aus dem Haus und erst recht nicht hoch in die Berge wagen. Walther nimmt uns diese Mühsal ab und liefert ungewohnte Bildausschnitte auf Werke, die stauen. (red)

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