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Locarno unter Lili Hinstin: Neuentdeckungen und ein Tarantino

Mit Lili Hinstin steht zum zweiten Mal eine Frau an der Spitze des traditionsreichen Filmfestivals in Locarno. Am Mittwoch präsentierte die Französin in Bern das Programm ihrer ersten Ausgabe (7.-17.8.). Mit dabei: neue Schweizer Filme und der jüngste Tarantino-Wurf.

Agentur
sda
17.07.19 - 14:26 Uhr
Kultur
Lili Hinstin, Direktorin des Filmfestivals Locarno, hat am Mittwoch in Bern das Programm der 72. Ausgabe präsentiert. Es ist die erste unter ihrer Leitung.
Lili Hinstin, Direktorin des Filmfestivals Locarno, hat am Mittwoch in Bern das Programm der 72. Ausgabe präsentiert. Es ist die erste unter ihrer Leitung.
KEYSTONE/ADRIAN REUSSER

Letzterer sei einer der besten des Kultregisseurs, befand die neue Direktorin an der Medienkonferenz im Erlacherhof. «Once Upon a Time ... in Hollywood» mit Brad Pitt und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen dürfte derjenige Film sein, der die meisten Zuschauer auf die Piazza Grande lockt. Gezeigt wird der Film von Quentin Tarantino am Samstag, den 10. August. Das Drama hat im Mai an den Filmfestspielen in Cannes Premiere gefeiert.

Eine wichtige Neuerung unter der Ägide von Lili Hinstin und damit der 72. Festivalausgabe betrifft denn auch die beliebte Piazza-Sektion. Neu laufen die jeweils zweiten Filme des Abends unter dem Titel «Crazy Midnight» und starten um Mitternacht. Die Werke sollen vor allem ein junges Publikum ansprechen, wie Hinstin erklärte.

Aus Schweizer Sicht ist das Piazza-Programm eher dürftig. Natascha Beller zeigt mit «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» ihren Debütfilm im Mitternachtsprogramm (11.8.). Die absurde Komödie ist damit der einzige Schweizer Langfilm im Programm. An der Medienkonferenz erklärte Hinstin, sie habe sich entschieden, keinen Film einzig aufgrund seiner Schweizer Herkunft auszuwählen. «Es sollen qualitative Kriterien zählen, keine diplomatischen.»

Mit «O Fim do Mundo» von Basil da Cunha hat es ein Westschweizer in den internationalen Wettbewerb geschafft. Der 34-Jährige aus Morges feierte mit «Até ver a luz» 2013 erste Erfolge in Cannes. Neben da Cunhas Werk über einen jungen Kriminellen, der nach einem Knastaufenthalt in seine Heimat in Lissabon zurückkehrt, sind im Wettbewerb 16 weitere Filme etwa aus Frankreich, Südkorea oder Indonesien zu sehen. Der beste Film wird mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet.

Neuer Film von Samir

Im zweitwichtigsten Wettbewerb, dem «Cinesti del presente», zeigt Locarno mit «L'île aux oiseaux» von Maya Kosa und Sergio da Costa und «Love me Tender» von Klaudia Reynicke immerhin zwei Schweizer Werke. Insgesamt wählten Hinstin und ihre neu zusammengesetzte Programmkommission 128 Filme aus - gesichtet hatten sie über 4000.

Ausserhalb des Wettbewerbs dürfte das Schweizer Publikum gespannt sein auf das Werk «Wir Eltern» des Regisseurs und Schauspielers Eric Bergkraut («Citizen Chodorkowski») und seiner Lebenspartnerin, der Autorin Ruth Schweikert. Das Paar zeigt eine überaus persönliche Doku-Fiktion, in der Bergkraut sowie die drei Söhne des Paares selber mitspielen. Das Drehbuch stammt von Schweikert.

Ebenfalls ausserhalb der Wettbewerbssektionen zeigt der Zürcher Filmemacher Samir seinen neuen Spielfilm «Baghdad in my Shadow» über die irakische Gemeinschaft in London. Das Drama läuft als Weltpremiere.

Leopard für Hilary Swank

Bereits früher verkündet hatte Hinstin die Vergabe des Pardo alla carriera an den Schweizer Filmemacher Fredi M. Murer («Höhenfeuer», «Liebe und Zufall»). Ein weiterer Ehrenleopard, der Leopard Club Award, geht an die US-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Hilary Swank («Million Dollar Baby», 2004). Sie wird die Auszeichnung am 9. August persönlich in Locarno entgegen nehmen. An einem Gespräch am 10. August stellt sie sich zudem den Fragen des Publikums.

An der Medienkonferenz erklärte Hinstin, wie wichtig es sei, das junge Publikum vermehrt für das Festival zu begeistern. Neben den «Crazy Midnight»-Filmen soll das Projekt «Base Camp» dazu dienen: In einer ehemaligen Kaserne in Losone können über 200 junge Cinéphile während des Festivals praktisch kostenlos wohnen.

Die 42-jährige Hinstin hatte die Direktion Ende des vergangenen Jahres von Carlo Chatrian übernommen, der an die Berlinale wechselte. Die gebürtige Pariserin leitete zuvor das internationale Filmfestival Entrevues im französischen Belfort. In Bern betonten Hinstin wie auch Festival-Präsident Marco Solari die Internationalität des Festivals: «Von den weltweit 6000 Filmfestivals wollen wir auch weiterhin zu den wichtigsten sieben oder acht gehören», sagte Solari.

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