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Vandalenakt im historischen Bergwerk

Was im kleinen Albulataler Dorf Schmitten so geschieht, liest man seit einem halben Jahrhundert alljährlich in der «Schmittner Chronik». Auch die jüngste Ausgabe hat wieder die eine oder andere Trouvaille zu bieten.

Jano Felice
Pajarola
01.05.19 - 04:30 Uhr
Kultur
Dorf Schmitten
Beim Bergwerk Blyberg bei Schmitten wurde im vergangenen Jahr vandaliert.
OLIVIA ITEM

Auch ein historisches Bergwerk auf gut 2550 Metern über Meer bleibt nicht vor Vandalismus verschont. Den Beweis dafür liefert der vor 50 Jahren wiederentdeckte Blyberg bei Schmitten (erzgruben.ch), eine sicher ab dem Mittelalter genutzte, später aber aufgegebene Grube für den Abbau von Bleiglanz und Zinkblende: Im vergangenen August haben Vandalen das Eisentor des Bergwerks, das nur auf Führungen betreten werden darf, mit brachialer Gewalt aufgebrochen, um in den Stollen zu gelangen. So berichtet es Richi Item, Blyberg-Betreuer und Sohn des Bergwerk-Wiederentdeckers Richard Item, in der aktuellen Ausgabe der «Schmittner Chronik».

Helikopterflug als Hilfeleistung

Ein Augenschein vor Ort habe ergeben, dass einer oder mehrere Strahler am Werk gewesen seien, so Item, denn es seien Spuren von fachgerechtem Graben und Scharren vorhanden gewesen. «Am meisten schmerzte mich aber die Beschädigung einer historischen Arbeitsbühne aus Lärchenholz.» Sie datiert aus dem frühen 18. Jahrhundert. Er habe Anzeige gegen Unbekannt eingereicht, und es sei zu polizeilichen Ermittlungen gekommen. Doch obwohl man einen Strahler aus einem Nachbardorf im Verdacht gehabt habe, sei das Verfahren mangels klarer Beweise eingestellt worden.

Um die Schäden zu reparieren, hat die Vereinigung Freunde von Schmitten – sie gibt auch seit mehr als 50 Jahren die Chronik heraus – Hilfestellung geleistet: Sie bezahlt einen Helikopterflug hinauf zum Blyberg, denn der Ort ist sonst nur zu Fuss erreichbar. Laut Item sind für das Beheben der Schäden am Eisentor rund anderthalb Tage Schweissarbeit nötig; die 300-jährige Arbeitsbühne hingegen wird er nicht mehr originalgetreu wiederherstellen können. Was die Eindringlinge im Blyberg genau gesucht haben, kann sich Item nicht erklären, wie er gegenüber der Redaktion betont – entdeckt haben sie jedenfalls nichts, davon ist er überzeugt. «Da oben findet man nichts ausser bleihaltiges Gestein.»

Eine Seilbahn nach Schmitten?

Items Schilderungen sind nur ein Beispiel dafür, was die «Schmittner Chronik» auch in der Ausgabe 2019 zu bieten hat. Neben Rückblicken auf das Leben und die Geschehnisse im Albulataler Dorf – auch die Wirren um den Verein «Quell des Lebens» fehlen nicht –, lernt man unter anderem die Lebensgeschichte des einstigen Schwabengängers Simon Gruber kennen, der in späteren Jahren – 1932 – die Garage Gruber in Tiefencastel gründete und Fahrzeuge wie einen Einachs-Kleintraktor erfand. Und man erfährt von einem ungewöhnlichen Ideenbeitrag, den die Vereinigung Freunde von Schmitten vielleicht bei der neuen Tourismusregion Albula einreichen will: den Vorschlag, zwischen Filisur und Schmitten eine Seilbahn zu bauen. Damit wäre das Dorf ans Netz der Rhätischen Bahn angebunden, und man könnte Touristen über eine Sommerrodelbahn zum berühmten Landwasser-Viadukt hinuntergleiten lassen, findet die Vereinigung halb im Ernst, halb im Spass.

Auf den ersten Blick gebe es vor Ort wenig, was Schmitten als lebendiges Dorf erscheinen lasse, schreibt Vereinigungspräsident Alois Hundertpfund – aber wer in der Chronik blättere, merke bald, dass Schmitten «offenbar doch einiges zu bieten hat».

Freunde von Schmitten (Hg.): «Schmittner Chronik». Erhältlich für 12 Franken im Dorfladen oder bei Tony von Wyl, Schmitten.

Jano Felice Pajarola berichtet seit 1998 für die «Südostschweiz» aus den Regionen Surselva und Mittelbünden. Er hat Journalismus an der Schule für Angewandte Linguistik in Chur und Zürich studiert und lebt mit seiner Familie in Cazis, wo er auch aufgewachsen ist. Mehr Infos

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