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Red Brick Chapel: Schweizer Musiklabel wird zur Genossenschaft

Das Zürcher Label Red Brick Chapel wird vom Kollektiv zur Genossenschaft. Was in der heimischen Musikbranche neuartig ist, wie Simon Borer und Chregi Müller von der Geschäftsstelle erzählen.

Agentur
sda
20.03.19 - 11:04 Uhr
Kultur
Die Musiker Simon Borer (links) und Chregi Müller leiten das Zürcher Label Red Brick Chapel, das sich seit neuestem als Genossenschaft organisiert. Ein Novum.
Die Musiker Simon Borer (links) und Chregi Müller leiten das Zürcher Label Red Brick Chapel, das sich seit neuestem als Genossenschaft organisiert. Ein Novum.
Keystone/ENNIO LEANZA

Red Brick Chapel, das ist ein Holztisch in einem Hinterzimmer eines Gemeinschaftsateliers mit Schaufenster in einer Zürcher Seitenstrasse. Hier sitzen Chregi Müller, auch bekannt als Singer-Songwriter The Fridge, und Simon Borer alias Long Tall Jefferson bei Kaffee und Wasser. Die beiden sind langjährige Musiker und bilden die neue Geschäftsstelle des Labels, das sich in diesem Frühjahr von einem Verein in einen genossenschaftlichen Verlag umgewandelt hat.

Allein dieses Bild und viel mehr noch das Gespräch mit den beiden zeigt: Bei Red Brick Chapel geht es nicht primär um Geld, um Business, um Glamour - sondern um Leidenschaft. In diesem Fall um Leidenschaft für Popmusik von einer gewissen Qualität. Und es geht darum, dass sich Künstlerinnen und Künstler gefördert und wertgeschätzt fühlen.

Alle sollen mehr haben

Nach Jahren als Verein, in dem die ehrenamtliche Arbeitsteilung mal besser, mal schlechter funktionierte, während immer mehr Mitglieder und damit neue Aufgaben dazukamen, war bei Red Brick Chapel eine Umstrukturierung vonnöten. Simon Borer erzählt, wie er und Chregi Müller immer mehr Verantwortung übernommen und Gratisarbeit geleistet hätten, was gerade für ihn, der als Long Tall Jefferson in letzter Zeit auch noch ein Album veröffentlichte und viele Konzerte spielte, kaum mehr tragbar gewesen sei.

Neu gehen von den Urheberausschüttungen der Red-Brick-Chapel-Mitglieder ein kleiner Teil an die Genossenschaft, etwa um den beiden Geschäftsleitern bescheidene Löhne auszuzahlen. Was die Musiker mit Konzerten und Verkäufen einnehmen, nehmen sie nach wie vor zu hundert Prozent selber ein. «Das unterscheidet uns von einer Plattenfirma», so Chregi Müller. «Die Idee ist, dass am Ende alle mehr haben.» Ebenfalls geblieben sind die basisdemokratischen Entscheidungen. Beispielsweise wenn es darum geht, neue Mitglieder aufzunehmen.

Keine Frustaktion

Ein Label als Genossenschaft zu organisieren, ist in der Schweiz ein Novum. Borer und Müller haben sich nicht dafür entschieden, weil sie schlechte Erfahrungen mit dem Big Business gemacht hätten. Gegründet wurde Red Brick Chapel 2011 von Simon Borer, der eigentlich nie «ein Label-Owner» sein, sondern bloss eine Art übergeordnete Stelle schaffen wollte. «Ein Business-Alias», um das Booking für sich selbst unter einem anderen Namen machen zu können.

Sehr bald stiess Chregi Müller dazu und ab 2015 war Red Brick Chapel ein Verein, der zu einem «Chlüngel» von 35 Musikerinnen und Musikern heranwuchs. Zum Label gehören heute neben vielen anderen etwa Quiet Island aus Genf, Gewinner des Demotape-Clinic-Wettbewerbs (Pop) am diesjährigen m4music Festival, die Luzerner Band Haubi Songs, die am 1. März das Album «Highlife» veröffentlichte, oder die Aargauer Formation Mnevis um den Sophie-Hunger-Drummer Mario Hänni oder Lukas Weber, Perkussionist bei Long Tall Jefferson.

Auf der Website wird von der Red-Brick-Chapel-Familie geredet. Tatsächlich sind die Mitglieder alle irgendwie miteinander verbandelt, wenn nicht familiär, dann kennen sie sich über Projekte. «Es ist aber nicht so, dass man nur dank Vitamin B zu uns kommen kann», betont der Gründer. «Was zählt, ist die Musik. Sie muss zu unserem Stil passen, und sie muss sehr professionell sein.»

Viele von ihnen hätten die Jazzschule absolviert, so Simon Borer. «Das hört man, sie machen andere Popmusik.» Und was von Red Brick Chapel kommt, ist meistens Pop. Und mehr noch ist es Sound, der nicht darauf getrimmt ist, an einem bestimmten Ort gross rauszukommen. Es sei alles «recht indie».

Schöneres Arbeiten

Dass nicht mehr Musikerinnen und Musiker eine Genossenschaft gründen, liegt laut Simon Borer vermutlich daran, «dass sie primär Musik machen wollen». Sich also nicht auch noch um diverse gemeinschaftliche Arbeiten kümmern möchten. Bei ihnen sei das grundsätzlich nicht anders, «doch wir haben gemerkt, dass man schneller vorwärts kommt, wenn man sich selber reinkniet».

Abgesehen davon sind die Musiker bei Red Brick Chapel gut abgesichert und bekommen, was ihnen zusteht. «Normalerweise gibt es zwei Businesspläne: Die Band will Geld machen, das Label will ebenfalls Geld machen», sagt Chregi Müller. «Und bei uns, da gibt es halt einfach einen Businessplan.»

Für Red Brick Chapel ist die Genossenschaftsform der Abschluss einer langen Findungsphase und eine gute Art, die nächsten fünf, vielleicht auch zehn Jahre weiterzumachen. «Das Arbeiten fühlt sich heute auf jeden Fall sehr viel besser an», sind sich Simon Borer und Chregi Müller einig.

Verfasserin: Miriam Lenz, Keystone-SDA

www.redbrickchapel.ch

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