×

Skulpturen mit einem überraschenden Eigenleben

Das Stück «Vernissage – Living Sculptures» der Theatergruppe Global Players hat in der Klibühni Premiere gefeiert. Auf der Bühne stehen Menschen aus aller Welt, die viel von sich preisgeben.

Südostschweiz
12.03.19 - 04:30 Uhr
Kultur
Der Kurator (Omar Boukbal, rechts) und eine Skulptur (Ping Lei).
Der Kurator (Omar Boukbal, rechts) und eine Skulptur (Ping Lei).
PHILIPP BAER / PHILIPP BAER

von Sebastian Kirsch

Bevor die «Vernissage» beginnt, stehen acht bunte Rollhocker auf der Bühne; runde Sitzmöbel, wie man sie von Coiffeursalons oder von Zahnärzten kennt. Auf solchen Hockern kann man sich flink in alle Richtungen bewegen, allerdings bieten sie einem aufgrund der fehlenden Rücken oder Armlehnen keinen Halt, von einem Rückhalt ganz zu schweigen. Auf diesen Rollhockern nehmen sieben, mit weissen Tüchern verhüllte menschliche Skulpturen Platz. Um den achten Hocker herum wirbelt ein Kurator (Omar Boukbal), der mit seinen tiefgründigen Ausführungen über die Kunst und über die Menschen die Zuschauer begrüsst.

Der Kurator wehrt sich gegen das Schubladendenken in unserer Gesellschaft, gegen Vorverurteilungen von Menschen, welche aufgrund ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe, Religion oder Rasse abgestraft werden, bevor sie den Mund aufmachen. Noch bevor der Kurator mit seinen Ausführungen beginnt, unterhalten sich per Videoeinspielung drei fremdländisch aussehende Menschen (Achtung Schubladendenken) über die Gründe, warum man eine Vernissage besuchen sollte.

Roter Faden Kunst

Den roten Faden des Stücks, das am Sonntag Premiere im Churer Theater Klibühni gefeiert hat, bildet die Kunst. Selbstredend, dass es dem Kurator in seinem goldglänzenden Anzug nicht gelingt, seine sieben menschlichen Skulpturen aus aller Welt an den Mann, respektive die Frau zu bringen. Denn die enthüllten Skulpturen entwickeln flugs ein Eigenleben, werden zu Menschen, die sich mit dem Hiersein und Dasein auseinandersetzen. Erlebnisse werden kurz ausgebreitet, lassen Biografien erahnen, welche zu solchen Beschreibungen fähig sind; sie regen an zum Nachdenken, mitfühlen und mitlachen. Identitäten, Ethnien und Nationalitäten verwerfen sich. Daraus entsteht die doppelte Erfahrung, sich überall und nirgends zu Hause zu fühlen.

Ob per Wortakrobatik, einem Kurzfilm über die üblen Erfahrungen im Gastland Schweiz, oder der brillanten sibirischen Volksmusik, den griechischen Gedichten über Alltagsrealitäten im Pflegeheim, und, und, und: Alle bringen etwas mit, haben etwas zu sagen und tragen etwas bei zu unserem Alltag. Wer die Augen und Ohren offen hält, wer wagt, Grenzen zu überwinden – und seien es die eigenen im Kopf – kann solchen Menschen auch abseits der Bühne begegnen, jederzeit, überall, denn sie sind längst Teil unserer Gesellschaft, unseres Lebens.

PHILIPP BAER

Transkulturelle Identitäten

Die Bündner Regisseurin Eva Roselt hat die aktuelle Bühnenarbeit gemeinsam mit den Schauspielern von Global Players entworfen, die aus allen Teilen der Welt stammen. Eine Leistung, die allein durch die sprachlichen Herausforderungen kaum hoch genug gewürdigt werden kann. Bei allen Schauspielern ist der Wille spürbar, die deutsche Sprache nicht nur zur reinen Verständigung zu erlernen, sondern als Kunstsprache zu gebrauchen. Die Sprache wird dabei zum Bindeglied und zur Klammer zugleich. Hier schafft die Bühnenarbeit transkulturelle oder transnationale Identitäten. Kulturen und Ausdrucksformen verflechten sich zu einem geradezu utopischen Moment. Wenn einem in diesem Kontext noch der Spiegel vorgehalten wird, wird das Ganze zu einem vergnüglichen Spiel.

«Vernissage – Living Sculptures». Aufführungen: Dienstag, 12. März, Freitag, 15. März, Samstag, 16. März, und Dienstag, 19. März, jeweils 20.30 Uhr, sowie Sonntag, 17. März, 18 Uhr. Theater Klibühni, Chur.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR