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Blick von innen nach aussen

«Visual Fields» heisst das Buch, das die Zürcher Ärztin und Künstlerin Kelly Bernheim mit einer Ausstellung ihrer Werke im Kunstzeughaus Rapperswil-Jona vorgestellt hat.

Linth-Zeitung
28.01.19 - 21:50 Uhr
Kultur
Kelly Bernheim vor einem ihrer Bilder.
Kelly Bernheim vor einem ihrer Bilder.
TOBIAS HUMM

von Tobias Humm

Elf Fotos eines altmodischen Leuchters vor einer roten Decke sind in einer Reihe an die Wand gepinnt. An der Wand vis-à-vis Bilder, die aus einem Bordell stammen könnten. An der nächsten Wand ein grosses Foto einer Pfingstrose und daneben ein gemaltes Bild, welches das Motiv farblich aufnimmt. Im hinteren Teil der Ausstellung Fotos von Eisbergen, Schlittenhunden im Schnee, Pflanzen. Zwei Mädchen im Bikini am Strand. Scharfes Gegenlicht bringt die Kameraoptik in Schwierigkeiten, Verspiegelungen sind die Folge.

Kelly Bernheim ist von Beruf Ärztin mit einer eigenen Praxis für allgemeine Medizin in Zürich. Wie viele andere Ärzte hat auch sie eine musische Begabung, der sie in der Freizeit folgt. In Genf ist sie aufgewachsen, in Zürich hat sie studiert. Und immer waren Malerei und Fotografie die Dinge, die ihr einen Ausgleich gebracht hatten zum Arztberuf, der sich auf die Person gegenüber richtet, nach innen, und der auch stark an Strukturen gebunden ist. Wissenschaftliche, zwischenmenschliche, aber auch wirtschaftliche Kriterien bestimmen den Alltag der Ärztin, den Ausgleich findet sie in ihrer künstlerischen Tätigkeit. Da richtet sie den Blick nach aussen.

Magische Bilder

«Es ist, wie durch ein Fenster zu schauen», beschreibt sie die Arbeitsweise. Sie entdeckt, was vor ihr liegt, der Schönheit von Grönlands Eisbergen ringt sie magische Bilder ab, die von Kälte und Einsamkeit erzählen, aber auch von den Schlittenhunden, von denen jeder in einer eigenen Hütte lebt. Das Bild scheint ein Bild eines Dorfes zu sein, erst auf den zweiten Blick erkennt man die in den Schnee gekauerten Bewohner als Hunde.

«Es ist, wie durch ein Fenster zu schauen»
Kelly Bernheim, Ärztin, Fotografin und Künstlerin

Zu ihrem runden Geburtstag hat Bernheim die Arbeiten der letzten gut 30 Jahre durchgesehen und eine Auswahl in einem grossformatigen Buch zusammengefasst. Dieses wurde am Sonntag im Kunstzeughaus im Rahmen einer Ausstellung ihrer Bilder vorgestellt. Es ist nicht leicht, in der Vielfalt der Arbeiten und Arbeitsweisen ein zusammenfassendes Element zu entdecken. Die Fotos sind mal gestochen scharf, mal mit bewegter Kamera verwischt, die einen sind farblich ganz verhalten, andere äusserst bunt. «Ich mag eigentlich alles, was stark farbig ist», sagt die Künstlerin dazu, doch manchmal nimmt sie diese Farbigkeit zurück.

Gerade in den Bildern der grönländischen Eisberge. Da überwiegen bläuliche Grautöne, helldunkel, und in leicht getonten Fotos von unbekannten Bergen, wo sich Bergkuppe über Bergkuppe auftürmt und weiss und grau von einer eisigen Welt erzählen. Für Kelly Bernheim sind die Eisberge Skulpturen, die sich langsam im Meer bewegen, die Landschaft, die erstarrt wirkt, ist in ständiger Veränderung. Sie hält mit der Kamera die Bewegung an, lässt das bewegte Eisige als fotografische Pixel erstarren und druckt es auf zum Teil sehr grosse Formate aus.

Sensible Betrachtung

Die Titel, die sie ihren Arbeiten gibt, erhellen zum Teil die Intention, die ihnen zugrunde liegt. Und manchmal verschleiern diese Titel auch den Inhalt. Sie heissen: «A la Recherche du temps perdu» oder «Breakfast is ready» oder auch «Silence».
Der Titel des Buches und der Ausstellung heisst: «Visual Fields». Also Blickfelder, Blickwinkel, das bedeutet, es ist immer Kelly Bernheims Blick von innen nach aussen. Wo immer sie ist, betrachtet sie ihre Umgebung mit künstlerischem Auge. Durch die sensible Betrachtung verwandelt sich das Objekt auf seinem Weg von aussen zum Innern der Kamera zum Subjekt, zum eigenständigen Werk.

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