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Fabrizia Famos im Schlaraffenland der Ornamente

Für die Bündner Bildhauerin Fabrizia Famos geht in Kürze ein halbes Jahr in der ägyptischen Hauptstadt Kairo zu Ende. RSO-Moderatorin Carmen Hartmann hat sie von ihrem Leben in der riesigen Stadt, von Reizüberflutung und orientalischer Inspiration erzählt.

Südostschweiz
09.01.19 - 16:00 Uhr
Kultur
PRESSEBILD

Seit dem 2. August 2018 lebt und arbeitet die Bündner Holzbildhauerin Fabrizia Famos in einer anderen Welt. Vom beschaulichen Engadiner Dörfchen Ramosch über die Bündner Hauptstadt Chur ist sie in die grösste Stadt Afrikas, nach Kairo gelangt. Dort kann sie dank eines Atelierstipendiums der Stadt Chur ein halbes Jahr lang leben und vor allem arbeiten. Ende Januar geht für Famos die Zeit in Ägypten zu Ende. RSO-Moderatorin Carmen Hartmann hat mit ihr über ihrer Zeit in Kairo gesprochen.

Nun ist Famos wie gesagt Bildhauerin. Ihr Material ist Holz in allen Formen und ihr Werkzeug sind Hammer, Meissel und Hobelbank. Hört man der Engadinerin aber zu, wie sie von ihrer Ankunft in Kairo erzählt, die Wohnung beschreibt in der sie lebt, und wie die Stadt Kairo sie in ihrem bildhauerischen Schaffen inspirierte, dann könnte man sie sich auch mit Feder und Tintenglas an einem hübschen Sekretär sitzend und geschwungene Worte zu Papier bringend vorstellen.

Wir lassen darum die wunderbaren Bilder, die sie beim Erzählen entstehen lässt, für sich sprechen.

Die Ankunft in Kairo und das Leben in ihrer Künstlerwohnung

«Ich wohne in Downtown, in einem riesigen Haus, das über 100 Jahre alte ist. Als ich das Haus bei meiner Ankunft in Kairo zum ersten Mal betreten habe, bin ich mir vorgekommen wie in einem Märchen. Ich stand in einer riesigen Eingangshalle, von der unzählige Treppen, Lifte und Türen wegführen. Dann sind drei Frauen in farbigen Gewändern an mir vorbeigeschlendert und plötzlich ist aus einem Gang ein alter Mann in einem langen Gewand und mit einem Turban auf mich zugeweht. Das war der Türsteher des Hauses, der mir dann den richtigen Lift zur Wohnung gezeigt hat.

Die Wohnung ist ebenso riesig. Das Fenster im Schlafzimmer ist grösser als jede Wohnungstür in Chur. Alles ist ein bisschen heruntergekommen und improvisiert. Zum Beispiel hat die Tür, die von der Küche in den Innenhof führt, fünf Schlösser, wovon kein einziges hält, aber alle zusammen glaube ich schon. Das Beste ist, dass ich ein grosses, helles Atelier habe.»

In Kairo Downtown wohnen ärmere Leute in kleinen Hütten auf den grossen Flachdächern der reicheren Leute.
In Kairo Downtown wohnen ärmere Leute in kleinen Hütten auf den grossen Flachdächern der reicheren Leute.

Die Stadt Kairo

«In diesem halben Jahr hier habe ich erlebt, dass man Kairo in zwei Zonen aufteilen kann. Die eine Zone, das sind die so genannten Compounds. Das sind grosszügige, ruhige Wohnsiedlungen mit Shopping Malls. Ich habe mich dort umgeschaut und eigentlich sieht es dort aus, wie an vielen Orten auf der Welt, zum Beispiel in Beverly Hills. Man ist einfach mitten in der Sahara.

Zur anderen Zone gehören alle älteren Stadtteile, wie Downtown, wo ich jetzt lebe, Zamalek, Fustat, Maadi oder Giza. In dieser Zone hat es viele kleine Läden, Strassenhändler, Cafés und viel Verkehr. Da ist es laut und menschenüberfüllt, immer wie Fasnacht. Sehr intensiv. Wenn ich am Abend nachhause komme, fühle ich mich wie eine Brausetablette von allen Eindrücken und Erlebnissen. Wenn ich ein paar Tage unterwegs bin, fühle ich mich bleiern vom Smog und erschöpft von der Reizüberflutung.»

Blick auf die Stadt am Nil, November 2018.
Blick auf die Stadt am Nil, November 2018.

Die Geschichte dieser Taxifahrt durch Kairo ist so gut, da lassen wir Fabrizia Famos gleich selbst erzählen.

Die Arbeit in Kairo und Inspirationen

«Eigentlich habe ich hier zwei Arbeiten. Die eine ist es, das Leben in dieser orientalischen, islamischen Monsterstadt ein bisschen verstehen zu lernen. Das hat viel mit Perspektivenwechsel zu tun, das ist lässig. Neue Sichtweisen verhelfen zu neuen Ideen und das tut auch meiner anderen Arbeit gut. Das ist die wichtigere, die Kunstarbeit. 

In punkto Kunst habe ich mich mit Abstraktion und Ornamenten befasst, im Atelier und ausserhalb – eigentlich jeden Tag. Das geht in diesem Kulturkreis sehr gut. Die genialste abstrakte Kunst ist wahrscheinlich die Pyramide. Von Vorne sind es perfekte Dreiecke, um die Augen auszuruhen und sich zu erholen vom Lebens-Wirrwarr. Und beim drumherum Laufen sieht man einen schönen, abwechslungsvollen Steinhaufen. Und punkto Ornamente ist das hier eh ein Schlaraffenland. Ich bin inzwischen soweit, dass ich die ganze Welt als Ornament sehe, seien es die Menschenmassen oder die Auslegeordnung von Händlern.

Im Atelier habe ich abstrakte Bilder gemalt und Ornamente gedruckt mit einem Holzstempel, den ich aus einem alten Besenstiel geschnitzt habe. Eigentliche gäbe es noch mega viel zum Machen. Es kommt mir vor, als wäre ich gerade erst richtig warmgelaufen – obwohl es hier mittlerweile auch kalt geworden ist. In den verbleibenden drei Wochen will ich noch möglichst viel im Atelier arbeiten. Ich will aber auch noch einmal einige ganz liebe Leute treffen, die ich hier kennengelernt habe.»

Ornament, gedruckt mit einem Holzstempel, den die gelernte Holzbildhauerin Fabrizia Famos aus einem Besenstil geschnitzt hat.
Ornament, gedruckt mit einem Holzstempel, den die gelernte Holzbildhauerin Fabrizia Famos aus einem Besenstil geschnitzt hat.
Entstehung des Smogbildes «New Garden City» auf der Dachterrasse in Kairo Downtown. Im Hintergrund eine Metrobaustelle.
Entstehung des Smogbildes «New Garden City» auf der Dachterrasse in Kairo Downtown. Im Hintergrund eine Metrobaustelle.

Die Rückkehr nach Chur und Pläne

«Als erstes möchte ich in Chur eine kleine Wohnung finden und ein grosses Atelier. Dann habe ich am 14. Februar eine Vernissage in der Stadtgalerie Chur und die Ausstellung dauert dann zwei Wochen. Danach möchte ich in (m)einem Atelier Ideen umsetzen, die ich in Kairo gesammelt habe und diese Ideen auch weiterentwickeln. Ich freue mich auch sehr auf meine Hobelbank und meine Meissel; auf Freunde und Familie und auf frische Luft; ein Stück Brot vom Zuckerbäcker und «an Mocka» Alpkäse und noch ganz viel mehr.»

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