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Ausstellung zum Landesstreik von 1918 im Landesmuseum in Zürich

Das Landesmuseum in Zürich beleuchtet den 100. Jahrestag des «Landesstreiks 1918» mit einer Ausstellung, die den aktuellen Wissensstand gut dokumentiert. Kooperationspartner ist das Schweizerische Sozialarchiv in Zürich.

Agentur
sda
02.11.18 - 12:56 Uhr
Kultur
Vor 100 Jahren. am 12. November 1918, begann in der Schweiz der Landesstreik. Im Bild ein Defilee der Ordnungstruppen vor General Ulrich Wille und Oberstdivisionär Emil Sonderegger. Die Ordnungstruppen der Armee wurden gegen die eigene Bevölkerung…
Vor 100 Jahren. am 12. November 1918, begann in der Schweiz der Landesstreik. Im Bild ein Defilee der Ordnungstruppen vor General Ulrich Wille und Oberstdivisionär Emil Sonderegger. Die Ordnungstruppen der Armee wurden gegen die eigene Bevölkerung…
KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV RIA

Am 12. November 1918 legten 250'000 Arbeiterinnen und Arbeiter vor allem in der Deutschschweiz, aber auch in der Westschweiz und im Tessin die Arbeit nieder. Sie stellten neun Forderungen, darunter die 48-Stunden-Woche, eine Altersvorsorge und das Frauenstimmrecht.

Den Streikenden stand ein starkes Militäraufgebot von 95'000 Soldaten gegenüber. Obwohl der Streik nach drei Tagen mit einem bedingungslosen Abbruch seitens der Streikleitung, des Oltener Aktionskomitees, endete, hat er doch deutliche Spuren hinterlassen.

Gemäss den Forderungen der Streikenden wurde die Proporzwahl des Nationalrats 1919 verwirklicht; die Freisinnigen verloren damit die absolute Mehrheit in der grossen Kammer. Im selben Jahr wurde die 48-Stunden-Woche in den Fabriken zum Gesetz. Die Alters- und Invalidenversicherung und das Frauenstimmrecht wurden ebenfalls eingeführt, allerdings erst 1948 beziehungsweise 1971.

Weg zum innenpolitischen Konsens

Der kurze Streik führte die Schweiz an den Rand eines Bürgerkriegs und damit in eine der grössten innenpolitischen Krisen. Er gilt heute aber auch als wichtige Zäsur auf dem Weg zu einer konsensorientierten politischen Verhandlungskultur.

Beispiel für diesen integrativen Prozess ist die Geschichte des sozialdemokratischen Politikers Ernst Nobs, welche die Ausstellung deutlich macht. Nobs war prägendes Mitglied des Oltener Aktionskomitees und wurde deswegen 1919 bei den Streikprozessen zu vier Wochen Gefängnis verurteilt. 1941 wählte ihn die Vereinigte Bundesversammlung zum ersten SP-Bundesrat. Der Sprung vom «Landesverräter» zum Regierungsmitglied könnte grösser nicht sein.

Zu Beginn der Ausstellung erzählt eine stichwortartige Zeittafel von Ende September bis Mitte November 1918 Tag für Tag, was zum Landesstreik und zu dessen Abbruch geführt hat. Miteinbezogen sind Ereignisse im Ausland, ohne die die Vorkommnisse in der Schweiz nicht zu verstehen sind, wie Kurator Christian Koller vom Schweizerischen Sozialarchiv am Freitag vor den Medien betonte.

Ursachen und Folgen

Mit grossformatigen Fotografien, Filmstationen, biografischen Hintergründen und zahlreichen in Vitrinen präsentierten Dokumenten machen Koller und die Mitkuratorin Pascale Meyer vom Landesmuseum Ursachen und Folgen des Landesstreiks fassbar.

Vor den Medien betonten sie allerdings, dass der Landesstreik in seiner Komplexität bis heute kontrovers diskutiert werde. Je nach politischer Sichtweise werde er so oder anders eingeschätzt.

Auch die historische Forschung über Ursache und Wirkung des epochalen Ereignisses in einer zerrissenen Zeit ist längst nicht abgeschlossen. Einig ist man sich wohl nur, dass der Landesstreik wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich die Schweiz zu einer vergleichsweise stabilen Demokratie entwickelt hat.

Rahmenprogramm

Ergänzt wird die Schau durch Expertenführungen und Veranstaltungen. So diskutieren die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr, der Historiker Jakob Tanner und der Politikwissenschaftler Michael Hermann am 7. November über «Die Bedeutung des Landesstreiks und Auswirkungen auf die moderne Schweiz».

Jeden Sonntag um 14 Uhr wird zudem die Doku-Fiction «Generalstreik 1918. Die Schweiz am Rande eines Bürgerkriegs» ausgestrahlt. Der Film von Hansjürg Zumstein ist im Auftrag von Schweizer Radio und Fernsehen SRF entstanden.

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