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Atommüll lässt viele Fragen offen

In Zusammenhang mit der Ausstellung «Hundert Jahre und die Ewigkeit» in der Alten Fabrik in Rapperswil-Jona veranstaltete Kuratorin Josiane Imhasly einen Vortragsabend rund um die Entsorgung von Atommüll.

Südostschweiz
19.10.18 - 12:00 Uhr
Kultur
Josiane Imhasly (links) und Simone Brander kommunizieren zum Thema Atommüll und Endlagerung.
Josiane Imhasly (links) und Simone Brander kommunizieren zum Thema Atommüll und Endlagerung.
ANTOINETTE LÜCHINGER

von Antoinette Lüchinger

«Solche Zeitspannen machen bei der Endlagerung von radioaktiven Abfällen Sinn», erklärte Josiane Imhasly, Kuratorin und Gewinnerin des diesjährigen Kurator-Wettbewerbs der Gebert-Stiftung für Kultur. Damit begründete sie den Zusammenhang zwischen der Vortragsveranstaltung vom Mittwochabend und der aktuellen Ausstellung «Hundert Jahre und die Ewigkeit» in der Alten Fabrik. Ziel sei es, aufzuzeigen, wie die Gesellschaft mit Herausforderungen, Fehlern aus der Vergangenheit und gesellschaftlichen Verdrängungsprozessen umgehe. Das Problem des atomaren Abfalls sei bisher ungelöst.

Zum Einstieg wurde die Videoarbeit «We are the Champions» der palästinensischen Künstlerin Inas Halabi gezeigt. Es handelt sich dabei um ein Interview zum Thema Urangewinnung und Atommüll, untermalt mit kontroversem Bildmaterial.

Der Titel «We are the Champions» spielt spöttisch auf eine Aussage einer Mitarbeiterin des Atomkraftwerkes Gösgen während einer von Halabi besuchten Führung an: «Schweizer sind die besten Tunnelbauer weltweit und kompetent, ein geologisches Tiefenlager für den Atommüll zu bauen.» Tatsächlich gibt es laut Imhasly weltweit bisher kein einziges definitives Endlager.

Die Suche nach einem geologischen Tiefenlager erfordert in der Schweiz komplexe demokratische Prozesse in mehreren Etappen. Dies zeigte Simone Brander, Mitarbeiterin des Bundesamtes für Energie, Bereich Kommunikation und Forschung zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen, in ihrem Vortrag auf. Sie vertritt die Schweiz in einer Arbeitsgruppe der OECD in dieser Sache.

«Solche Prozesse können sich über Jahrzehnte erstrecken und scheinen zeitweilig nicht zum Ziel zu führen», bemerkte Kuratorin Imhasly in der anschliessenden Diskussionsrunde. Sie sehe darin eine Art kollektiven Verdrängungsmechanismus oder Bewältigungsstrategie angesichts einer gesellschaftlichen Bedrohung.

Kontroverse Diskussion

«Offensichtlich gibt es Gemeinden, die gegen Entschädigung von 300 bis 500 Millionen Franken bereit sind, ein solches Tiefenlager auf ihrem Gebiet zuzulassen. Das Geld dafür liegt in Fonds bereit», hielt Brander dem entgegen.

Ein Besucher bemängelte die Vorgehensweise als unlogisch: Die Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle), 1972 gegründet, bohre und forsche seit Jahrzehnten und komme nicht zum Ziel. Er verstehe auch nicht, warum der Atommüll 600 Meter unter der Erde gelagert werden müsse. Während der Haupteingang unverschlossen bleibe, weil die Abfälle erleichtert rückführbar sein müssen. Gleichzeitig sei das Rückgewinnungsverfahren aus Sicherheitsgründen eingestellt worden.

Der Aufwand sei enorm, wenn man bedenke, dass vor Jahren der Atommüll in Fässern im Atlantik entsorgt wurde und dort vor sich hin rottet, konstatierte ein weiterer Besucher.

«Noch viel Überzeugungsarbeit»

Sechs Standorte für die Tiefenlagerung von Atommüll wurden von der Nagra geprüft, dann gab es gemäss Brander eine öffentliche Vernehmlassung, ei-nen Bundesratsbeschluss 2011, gefolgt von einem regionalen Partizipationsprozess, den Regionalkonferenzen, an denen sich 199 Gemeinden beteiligten. Es wurden Studien zu den Auswirkungen verfasst und Vorschläge für Oberflächenanlagen erarbeitet, mit vertiefter Untersuchung von zwei Standorten. Eine weitere öffentliche Vernehmlassung folgte in Etappe zwei. Zurzeit werden die Stellungnahmen ausgewertet und Ende 2018 sei ein Bundesratsbeschluss zu erwarten.

Je 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung teilen sich in Gegner oder Befürworter auf. Der grösste Teil der Bevölkerung hat laut Brander zu einem Atommüll-Tiefenlager keine Meinung. Sicher spiele der grosse Zeitrahmen des Projekts dabei eine Rolle. Das Problem betreffe nicht nur diese Generation, sondern auch die in 100 Jahren. Es sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

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