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Die Diva mit der sanften Stimme

Der Auftritt von Norah Jones beim Festival da Jazz war – zumindest was das Publikumsinteresse angeht – der bislang absolute Höhepunkt der Veranstaltungen. So eng war es selten und die Stimmung war perfekt.

Südostschweiz
24.07.18 - 10:00 Uhr
Kultur
Top of the World: Norah Jones und ihre Band bezaubern das Publikum.
Top of the World: Norah Jones und ihre Band bezaubern das Publikum.
GIANCARLO CATTANEO/FOTOSWISS.COM

Für einmal konnte man in Tönen schwelgen, ihnen nachlauschen, sich einlassen.

Schon vor dem «Dracula Club» musste man diesmal anstehen. Kaum war am Sonntagabend die Tür geöffnet, drängten die Fans von Norah Jones hinein und die schmale Treppe hinauf, um einen der Sitzplätze zu ergattern. Nicht alle waren erfolgreich und konnten schliesslich der einschmeichelnden Stimme der Sängerin, Pianistin. Songwriterin und Schauspielerin lauschen – entweder am Fussboden sitzend oder stehend. Der Stimmung tat das trotz hoher Eintrittspreise keinen Abbruch.

Ein Zeichen dafür, wie sehr die US-Künstlerin, die normalerweise in riesigen Hallen auftritt und Garderoben in der Grösse des «Dracula Clubs» für sich beansprucht, das Publikum begeistert, war die konzentrierte Ruhe während des ganzen Konzerts der leisen Töne.

Unaufgeregte Weltklasse

Norah Jones wurde 1979 in Brooklyn geboren. Die Musikalität wurde ihr in die Wiege gelegt, ist doch ihr Vater der Sitar-Virtuose Ravi Shankar. Einige werden sich noch an dessen Namen im Zusammenhang mit den Beatles erinnern. Er beeinflusste deren Musik, insbesondere die von George Harrison.

Auch wenn man im Vorfeld hörte, sie sei eine Diva, faszinierte Jones im Konzert gerade durch ihre Natürlichkeit. Sie hat eine charismatische Ausstrahlung, die durch ihren fast mädchenhaften Charme noch verstärkt wird. Alles wirkte leicht, locker und unaufgeregt. Ihre unverwechselbare Stimme, ihr warmer einschmeichelnder Soft-Jazz mit Anklängen an Soul zogen das Publikum mit den ersten Tönen von «Day Breaks» in ihren Bann. Kein Wunder, dass sie schon mit zahlreichen Grammy Awards ausgezeichnet wurde und von ihrem erfolgreichsten Album «Come away with me» fast 20 Millionen Exemplare verkauft hat. Sie ist die derzeit wohl erfolgreichste Soft-Jazz-Sängerin und steht für ausverkaufte Konzerte, wo auch immer sie hinkommt. Jedes ihrer sechs Studio-Alben hat es unter die Top Ten der Billboard-Charts geschafft.

Auch zur Gitarre gegriffen

Nach einer Phase musikalischer Experimente ist Norah Jones wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. In St. Moritz verzückte sie die Zuhörer mit eigenen Kompositionen ebenso wie mit Coverversionen grosser Hits. Sie begleitete sich nicht nur selbst am Flügel, sondern griff für «Black» auch zur elektrischen Gitarre, für «Sunrise» zur Akustikgitarre. Ihren Platz am Piano nahm dann ihr Mann Pete Renn ein, der sonst die Orgel spielt. Jones hat hochklassige musikalische Begleiter um sich. Das sind neben Renn: einer der derzeit wohl besten Jazz-Schlagzeuger weltweit, Brian Blade, und der eindrückliche Bassist Chris Thomas.

Beseelt in die Nacht hinaus

Der Sound im «Dracula Club» war perfekt. Zwischen den Liedern hauchte Jones immer wieder kurze Kommentare ins Mikrofon, gab sich unkompliziert. Ihre Stimme ist klar, manchmal rauchig, aber immer sanft einschmeichelnd – und man konnte nun live nachvollziehen, warum sie als eine der stärksten Stimmen gerühmt wird. Was das Konzert neben vielem anderen so einmalig, so begeisternd machte, war die Konzentration, das Gleichmässige des Sounds. Da wurden nicht wie so oft die Bässe so weit hinaufgedreht, dass jeder Zauber der Melodie, der Stimme, des Arrangements und der Interpretation verloren ging.

Für einmal konnte man in den Tönen schwelgen, ihnen nachlauschen, sich einlassen. Einfach nur schön und Genuss pur. Neben bekannten Songs stellte Jones zwei neue Lieder vor: «My Heart is open» und «It was you». Zudem begeisterte sie mit der Coverversion von Neil Youngs «Don’t be denied». Passend zu ihrem unkomplizierten Auftritt gestaltete sich auch der Schluss des Konzerts. «Wir sind nun fertig», meinte Jones sinngemäss, «ich mag nicht rein- und rauslaufen, also gibt es nun noch ein Stück – okay?» Dann wurden die Gäste beseelt in die Sonntagnacht entlassen. Oder zum nächsten Event, einem kostenlosen Round-Midnight-Konzert in der nahegelegen «Sunny-Bar» des Hotels «Kulm».

Festival da Jazz: bis 5. August.

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