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Clovis Duran - «Gestaltung ist Haltung»

Clovis Duran, Assistent an der Genfer Hochschule für Kunst und Design und Teil des Kunstgruppe Rosa Brux, glaubt als Gestalter an die Kraft des Kollektivs. Ideenreichtum, Sachlichkeit, Liebe zum Detail, aber auch eine klare Haltung prägen seine grafischen Arbeiten.

Agentur
sda
16.07.18 - 09:56 Uhr
Kultur
Der Grafiker Clovis Duran ist Assistent an der Genfer Hochschule für Kunst und Design.
Der Grafiker Clovis Duran ist Assistent an der Genfer Hochschule für Kunst und Design.
Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Genfer Hochschule für Kunst und Design (HEAD), vierte Etage. Studentinnen und Studenten des Fachbereichs visuelle Kunst realisieren im Atelier Micro-édition ihr erstes Buchprojekt, das in einer limitierten Auflage von 30 Exemplaren geplant ist.

Clovis Duran, 30, dunkle Haare, warme, ruhige Stimme, diskutiert an einem Tisch mit einer Studentin über ihre aktuelle Druckvorlage. Atelierleiterin Barbara Fedier arbeitet an der HEAD seit drei Jahren mit ihrem Assistenten zusammen. Als noch junger Grafikdesigner, sagt sie, verfüge Duran über ein grosses gestalterisches Know-How, das er auch pädagogisch gut vermitteln könne. «Gleichzeitig ist er künstlerisch sehr offen und weiss, wie man die Studierenden in diesem diskursiven Format auf dem Weg zur persönlichen und einzigartigen künstlerischen Umsetzung unterstützt.»

Kein Detail ist neutral

Es ist auffallend, dass Duran die Kunststudierenden mit einer Vielzahl von Fragen konfrontiert. Fragen, die sich der Grafikdesigner oft auch selbst stellt. «In jeder Umsetzung steckt eine enorme Komplexität», sagt er. «Kein Detail ist neutral, sondern immer ein Hinweis oder ein Kommentar.» Als Gestalter von Büchern, Plakaten, Flyern und dem Programmheft des Genfer Kinos «Spoutnik» sowie als Mitbegründer des Künstlerkollektivs Rosa Brux sei er sich dessen stets bewusst.

Die modernsten technischen Möglichkeiten auszuloten oder aber auf Stift, Stempel, Handarbeit zurückzugreifen - was er immer wieder macht -, ist für Duran kein Widerspruch. Es geht dem visuellen Künstler immer darum, den gesamten gestalterischen Spielraum auszuschöpfen.

Überdies sind für ihn nicht nur grafische Kriterien entscheidend, sondern auch andere: soziale, ökologische, persönliche. Wenn er für Rosa Brux etwa einen Flyer gestalten soll, von dem er nur 50 Exemplare benötigt, scheidet die Druckmaschine, die mindestens 250 Stück vorschreibt, als sinnvolle ökologische Lösung schon einmal aus. In diesem Fall greife er lieber wieder zum Stift und produziere den Flyer von Hand. «Gestaltung ist auch Haltung», sagt er. «Und jede neue Arbeit verlangt nach einer neuen gestalterischen Antwort.»

Sich auf einen Stil zu konzentrieren, hält Duran deshalb für einen Irrtum. Für den Flyer der Ausstellung im Centre culturel suisse (CCS) in Paris wählte er eine gedruckte versale Groteskschrift in der Farbe Rot und kombinierte diese mit starken Kontrasten und einer betörend sachlichen Darstellung. Als Titel diente ein Zitat von Samuel Beckett: «Essayer encore. Rater encore. Rater mieux» - «Versuch es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser.»

Inhaltlich zeigten Rosa Brux und die Genfer Gruppe «Archives contestataires» in der Exposition Aktionen verschiedener unabhängiger Genfer Protestbewegungen im Zeitraum von 1960 bis 1989 mittels Insignien des Widerstands in Wort und Bild.

Die Ausstellung bot mit einer historischen Aufarbeitung die Gelegenheit, die Verbindungen zwischen Kunst und Aktivismus zu hinterfragen - und knüpfte ebenso an die Gegenwart an. Seine Epoche, sagt Duran, könne man nur verstehen, wenn man die eigene Geschichte kenne. Aus diesem Grund hat Rosa Brux die Recherche in Genf realisiert, dort, wo sich das persönliche Leben der Beteiligten abspielt.

Sowohl als visueller Künstler wie auch als Zivilperson glaubt Duran an die Kraft des Kollektivs. «Bei Rosa Brux bringen alle ihre Kompetenzen ein. Im Moment setzen wir uns etwa mit dem Thema Urheberrechte auseinander.» Privat teilte er sich in Genf bis vor kurzem mit 17 anderen jungen Leuten ein Haus; nun wohnt er im neuen Ecoquartier Jonction in einem Mehrpersonenhaushalt, in dem Menschen unterschiedlichen Alters zusammenleben.

Von Toulouse über Barcelona nach Genf

Aufgewachsen ist der gebürtige Franzose zwischen Bordeaux und Toulouse. Die Mutter ist Kindergärtnerin, der Vater Landschaftsgärtner. Block und Stift habe er bereits als Kind immer zur Hand gehabt und seine Eltern hätten ihn schon früh an Ausstellungen mitgenommen.

Sein erstes Grafiktablet kaufte er sich mit 15 von dem Geld, das er sich während zwei Wochen verdient hatte. Danach fand er einen anderen, lukrativeren Nebenjob: als Karikaturist am Strand von Biscarrosse.

Es folgten: der Bachelor in visueller Kunst in Toulouse und das anschliessende Master-Studium in Barcelona. «Ich wollte damals in die digitale Welt eintauchen und mir das nötige Wissen über die gestalterischen Möglichkeiten am Computer und das Programmieren aneignen.» 2009 kam der stille Bewunderer des sachlichen «Swiss Style» nach Genf und schloss hier sein «Media-Design»-Studium an der Hochschule für Kunst und Design ab.

Vom Buch zur virtuellen Version

Eine der komplexesten Aufgaben, die Clovis Duran als verantwortlicher Grafiker bis anhin realisierte, ist das Kunstbuch «Oracles - Artists’ Calling Cards» von Pierre Leguillon und Barbara Fedier, das während fünf Jahren in Zusammenarbeit mit dem Atelier Micro-édition entstand.

Der Publikation, die im Zürcher Verlag Edition Patrick Frey (EPF) erschien, liegen 123 faksimilierte Visitenkarten von Künstlerinnen und Künstlern des 18. bis 21. Jahrhunderts bei. Sie sind wie lose Buchzeichen zwischen den einzelnen Seiten eingestreut. «Hinter dieser scheinbar lässigen Geste steckt akribische Arbeit, handwerkliches Geschick, das Beherrschen diverser Druckverfahren, grosse Liebe zum Detail und zur Haptik», sagt Andrea Kempter, die als Verlagsleiterin eng mit dem Genfer Grafiker zusammenarbeitete.

Eine der grössten Herausforderungen für Duran selbst war damals, ein möglichst präzises Abbild der Originalvisitenkarten zu reproduzieren. Die Karte der amerikanischen Fotoreporterlegende Weegee etwa wies Ketchup-Flecken auf. Duran: «Weegee sass angeblich öfter zwischen seinen Einsätzen in Fast-Food-Lokalen zu Tisch. Darum wollten wir das Detail mit dem Spritzer unbedingt auch auf dem Faksimile zeigen. Damit die Ketchupflecken auch wirklich real aussahen, mussten wir sie auf jeder Karte einzeln von Hand auftragen.»

Das Buch wurde in einer Auflage von 700 Exemplaren gedruckt und war schnell vergriffen. Da es in der Herstellung sehr aufwändig war, war eine Neuauflage ein Ding der Unmöglichkeit. Nun tüftelt Duran an der kongenialen Umsetzung in eine virtuelle Version, um so den Inhalt Kunsthochschulen und anderen Interessierten zugänglich zu machen. Egal, ob analog oder digital, mechanisch oder manuell: Für den Genfer Grafiker enden gestalterische Interventionen nicht am Horizont, sie gehen darüber hinaus.

Verfasserin: Judith Wyder sfd

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