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Margarethe und Faust im Sowjetreich

Das Theater Origen tourt seit 13 Jahren mehrheitlich durch Graubünden. Mit «Der Meister und Margarita» nach dem gleichnamigen Roman von Michail Bulgakow hat machte es nun Halt in Rapperswil-Jona. Ein heiterer Theaterabend mit viel Tiefgang.

Südostschweiz
21.06.18 - 04:30 Uhr
Kultur

von Tobias Humm

Zwei Reihen Holzbänke auf dem Hauptplatz, eine kleine Bühne und ein Hintergrund aus rotem Plüsch. Das reicht dem Theater Origen aus dem Bündnerland schon fast für einen geglückten Theaterabend. Doch nur fast. Es kommen noch 14 Rollen mit ebenso vielen Kostümen, einige Musikinstrumente, vier Schauspieler und vor allem ganz viele witzige Ideen dazu. Und natürlich eine Geschichte, welche die fast 200 Besucher jeden Alters auf den Rapperswiler Hauptplatz lockt. Etwas Wetterglück gehört auch dazu.

Die Geschichte spielt im stalinistischen Moskau, Repression und Denunziation sind an der Tagesordnung. Michail Bulgakow hat den satirischen Roman «Der Meister und Margarita» in seiner Moskauer Wohnung verfasst, die er dann auch gleich zum Schauplatz gewählt hat. Überhaupt bringt er viel Moskauer Lokalkolorit in den Text und übt in verklausulierter Form bissige Kritik am System. Die Zensur hat manches davon entdeckt und den Roman um einen Viertel gekürzt – und für die Theaterfassung musste noch mehr vom Text weichen.

Rollenwechsel und Akrobatik

Nichtsdestotrotz stellt der Regisseur Fabrizio Pestilli, der auch selbst auf der Bühne erscheint, mit seinen drei Kollegen einen turbulenten und äusserst unterhaltsamen Abend zusammen. Die Schauspieler wechseln Rollen und Kostüme schneller als man schauen kann, Musikeinlagen und Akrobatiknummern folgen einander auf dem Fuss. Antonio Ghezzani und David Labanca geben ihr Bestes und das Publikum verdankt es mit Zwischenapplaus.

Die Geschichte tritt dabei hin und wieder in den Hintergrund, man überlässt die Aufmerksamkeit einfach gern dem bunten Bühnengeschehen. Zuerst wird ein Theaterautor von der Zensur verhaftet – das sowjetische System schlägt erbarmungslos zu –, und ein Gaukler namens Woland erobert das Theater mit seiner Truppe. Nicht immer ist einem im Publikum klar, warum das Stück «Der Meister und Margarita» heisst, und besagte Margarita selbst versteht es auch nicht, weshalb sie ständig auf die Bühne kommt und ins Geschehen eingreifen will.

Der Meister-Zauberer weist sie jeweils höflich oder auch weniger höflich hinter den Vorhang. Heike Möhlen hat dabei einen komischen Part mit unterschiedlichen Charakteren zu bewältigen. Die Frage, ob ihr Name ein Verweis auf Margarethe aus Goethes Faust sei, blitzt im turbulenten Geschehen nur kurz auf. Zu schnell bewegt sich die Handlung vorwärts, als dass man noch Zeit fände, literarische Vergleiche anzustellen.

Parallelen zu Goethes Faust

Und zu schnell wechseln auch die Sprachen der Akteure von Deutsch auf Italienisch, Französisch und Romanisch, ohne dass die Handlungen dadurch unverständlich würde. Der Gaukler Woland und seine Truppe verstärken allerdings den Eindruck der klassischen Vorlage. Einer seiner Begleiter ist ein sprechender Kater, der durchaus an Mephisto erinnert und der Meister selber sucht die Macht über Margaritas Seele zu gewinnen. Dafür muss sie nun sterben, aber sie erbittet sich als Gegengabe ihren Liebsten noch einmal zu sehen.

Und wirklich, Woland zaubert ihn aus dem Sowjetgefängnis hervor. Doch kaum vereint, muss die Trennung folgen, da Margarita ja ihre Seele verkauft hat. Wie sie ihren Kopf dennoch aus der Schlinge zieht, diese Pointe soll nicht verraten werden: Aber sie rettet nicht nur ihr Leben, sondern auch das Happy End, das ein Stück Strassentheater doch haben muss.

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