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Bunte Ode an die liebe Farbe

Im Rahmen des 10-Jahr-Jubiläums zeigt das Kunstzeughaus Rapperswil-Jona eine Retrospektive von Anna Amadio. An Buntheit ist das Werk der letzten Jahre kaum zu übertreffen, viele Arbeiten bestehen nur aus Farbe – auf einen Bildträger wie Leinwand verzichtet die Künstlerin oft.

Südostschweiz
25.02.18 - 04:30 Uhr
Kultur
Anna Amadio erklärt im Kunstzeughaus, wie ihre Arbeiten entstehen.
Anna Amadio erklärt im Kunstzeughaus, wie ihre Arbeiten entstehen.
TOBIAS HUMM / TOBIAS HUMM

Von Tobias Humm

Man könnte einen Artikel über die Arbeiten der 1963 in Belp bei Bern geborenen Anna Amadio anfangen, indem man die Buntheit ihrer Werke beschreibt. Oder die ungewohnte Materialität in den Vordergrund rückt. Oder man könnte die zitierten Künstler in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Gaugin, Van Gogh, Cézanne, Monet. Oder man kann die beiden Wege verbinden.

Von Paul Cézannes häufigem Motiv «La Montagne de Saint Victoire» bleibt wie bei den anderen Adaptionen in Amadios Interpretation nur der Hauch einer Erinnerung. Die Künstlerin giesst über ein mit dickem Leim nachgemaltes Bild des Originals eine zähflüssige Farbe und löst diese in der Folge sorgfältig ab, sodass ein leichtes Relief entsteht, das an das ursprüngliche Gemälde erinnert.

Frohes Rätselraten

Das Bild besteht dann also nur noch aus reiner Farbe, auf ein Trägermaterial wie Holz oder Leinwand kann sie dabei verzichten. Die Ausstellung ist also eine Ode an die Farbe und der Titel «Liebe Farbe» die brieffreundschaftliche Anrede an ein Material. Aber nicht nur Bilder übergiesst sie mit dieser Farbe, ganze Raumsituationen mit Bild, Boden und Ruhebank unterzieht sie dem Prozess.

Lackartig, aber flexibel wie eine Gummischicht, liegen manche der Arbeiten auf dem Boden des Kunstzeughauses ausgebreitet. Zimmergross und wuchtig in ihrer kessen Buntheit, grün, gelb und blau bieten sie sich dem Betrachter dar. Andere Bilder hängen an Rahmen aufgespannt oder auf Holzgestelle montiert im Raum.

Anna Amadios Arbeiten befassen sich allerdings nicht in erster Linie mit Bildern und Gegenständen, sie interessiert sich für die Auseinandersetzung mit dem Material Farbe an sich. Darin ähnelt sie den von ihr zitierten Impressionisten, die sich von der angeblichen Realität ihrer Motive weg und hin zum persönlichen Blick auf diese wandten.

Hinter der Trennwand, die den grossen Raum des Zeughauses teilt, hängen ältere Arbeiten, Frottagen. Hier werden vorgefertigte Reliefteile, die unterschiedlich zusammengestellt werden können, mit Buntstiften sichtbar gemacht: Die Stifte werden über die Reliefteile geführt, und dort, wo etwas vorsteht, entsteht ein buntes Abbild des Untergrundes. Kinder machen dies häufig mit Münzen und der Hinterseite eines Bleistifts auf Papier. Auch diese Arbeiten sind bei Amadio meist intensiv farbig und erinnern an feine Stickereien.

Etwas weiter im Raum hängt eine Werkgruppe mit grossformatigen Klecksbildern auf roher Leinwand. Diese wird einseitig mit dicker Farbe bemalt, dann zusammengefaltet, sodass sich ein spiegelverkehrtes Doppel ergibt. Und in der Folge wieder auseinandergeklappt und mit einer zweiten Farbschicht teilweise überdeckt, von der man dann die Rückseite sieht, mit der sie einst auf einem Trägermaterial gelegen hatte.

Was kompliziert klingt, ist es auch in der Herstellung, in der Betrachtung jedoch lädt es zum frohen Rätselraten ein, ähnlich einem Rorschachtest kann man seine Fantasien hineinlegen und diese deuten, wie es einem gerade gefällt.

Installation aus totem Material

Den Seitenwagen, das Forum für unter 30-jährige Künstler, bespielt der im Wallis wohnhafte Samuel Tenot mit einem Sammelsurium von Gegenständen, die er auf ausgedehnten Fahrradtouren entlang der Rhone gefunden hat. Der Begriff des Sammelsuriums ist in diesem Sinne mehr als angemessen und auch nicht abschätzig gemeint. Samuel Tenot erreichte Rapperswil vor einigen Tagen mit einem Bus voller Ware, die er seither zu einer, den kleinen Raum füllenden Installation aufgebaut hat.

Das Morbide hat es Samuel Tenot angetan, die Arbeit mit Material, das seine Lebensspanne schon hinter sich hat und eigentlich niemandem mehr etwas sagt. Er haucht dem Toten neues Leben ein, und sei es nur für die Dauer der Ausstellung.

Ein Vogel schwebt von der Decke. Ein Skelett liegt auf einer schwebenden Bahre. Und undefinierbare Kombinationen von ausgewaschenem Holz, Metallteilen und auch Plastikschrott, die aber durchaus einen ästhetischen Reiz haben, verlangen vom Publikum ein sorgfältiges Durchschreiten der fragilen Installation.

Vernissage der beiden Ausstellungen von Anna Amadio und Samuel Tenot ist morgen Sonntag, 25. Februar, 11.30 Uhr. Dauer beider Ausstellungen: bis 6. Mai; Öffnungszeiten: Jeweils von Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr.

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