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Winterruhe für Wildtiere ist einzuhalten

Wildruhezonen im Winter müssen von den Menschen beachtet und respektiert werden. Eine Erklärung dazu liefert dieser Artikel.

Bündner Woche
03.02.25 - 04:30 Uhr
Klima & Natur
Ungestört und entspannt: Das Wild geniesst in der Wildruhezone seine Ruhe.
Ungestört und entspannt: Das Wild geniesst in der Wildruhezone seine Ruhe.
Archiv

von Susanne Turra

Das Reh verharrt. Was es wohl gerade erspäht hat? Vielleicht Menschen, die ihm ein bisschen zu nahe kommen? Es liegt nur wenig Schnee auf der Wiese am Waldrand an jenem winterlichen Morgen im Januar. Es ist kalt und ruhig. Das Wild fühlt sich wohl. Es befindet sich in einer Wildruhezone. Hier kann es den Winter über sein. Es findet Ruhe und darf nicht gestört werden. Eine friedliche Szene. Damit es so bleibt, braucht es den Respekt und das Verständnis der Menschen.

Wenn man sie denn lässt

Vom Wald ins Büro. «Der Winter ist für unsere Wildtiere die kritische Jahreszeit», erklärt Lukas Walser. «Das Nahrungsangebot ist stark eingeschränkt, die kalten Temperaturen erfordern viel Energie und der Schnee erschwert die Fortbewegung.» Kurzum: Der Winter ist hart für die Wildtiere, aber sie kommen eigentlich gut klar damit. Lukas Walser weiss, wovon er spricht. Er ist Abteilungsleiter Wild und Jagd beim Amt für Jagd und Fischerei Graubünden. Und er ist Vorgesetzter der Wildhut. «Im Winter reduzieren die Wildtiere ihren Energieverbrauch», so der Fachmann. «Die Tiere bewegen sich so wenig wie möglich, fahren buchstäblich runter.» Wenn man sie denn lässt. Denn, wenn die Tiere gestört werden, wird der Energieverbrauch ruckzuck um ein Vielfaches höher. Und wiederholte Störungen schwächen die Tiere derart, dass es zum Tod führen kann. Deshalb sind die Wildruhezonen so wichtig. Und auch dringend einzuhalten. Dabei sind sie von den Wildschutzgebieten zu unterscheiden. Letztere sind für die Jägerinnen und Jäger relevant. Wildruhezonen sind rechtsverbindlich für alle. Das allerdings nur während der Winterzeit, meist von Mitte Dezember bis Mitte April. Ausserhalb dieser Zeit dürfen die Zonen betreten werden.

Die Grenze respektieren: Die Wildruhezonen sind auf grossen Tafeln markiert.
Die Grenze respektieren: Die Wildruhezonen sind auf grossen Tafeln markiert.
Amt für Jagd und Fischerei
Lukas Walser: «Der Winter ist für unsere Wildtiere die kritische Jahreszeit.»
Lukas Walser: «Der Winter ist für unsere Wildtiere die kritische Jahreszeit.»
Livia Mauerhofer

Dennoch. Auch neben den Wildruhezonen gibt es wichtige Verhaltensregeln. «Man kann nicht alles schützen», gibt Lukas Walser zu bedenken. Und so sollen sich beispielsweise auch Schneesportlerinnen und Schneesportler an die offiziellen Routen für Schneeschuh- und Skitouren halten. Diese sind von der Wildhut überprüft und für gut befunden worden. Weiter gilt auch für Wanderinnen und Biker: Auf dem Weg bleiben. «An regelmässige Störungen gewöhnt sich das Wild», erklärt Lukas Walser. «Auf einem Spazierweg sind manchmal die Hirsche nur 50 Meter weit entfernt.» Das ist kein Problem. Das Wild bleibt ruhig. Es weiss, dass ihm nichts passiert. Wenn aber jemand diesen Weg verlässt oder ein frei laufender Hund die Grenze überschreitet, dann ändert sich die Situation. Das Fehlverhalten der Menschen löst bei den Wildtieren eine Fluchtreaktion aus. Diese braucht Energie und erzeugt Stress. Was dann passiert, wissen wir ja schon. Damit die Wildtiere vor Störungen geschützt bleiben, haben das Bundesamt für Umwelt und der Schweizer Alpenclub die Kampagne «Respektiere deine Grenzen» lanciert. Dabei sind vier Leitsätze entstanden, welche die Verhaltensregeln nochmals veranschaulichen (siehe Box). 

Bitte nicht füttern

«Die Wildruhezonen sind immer markiert», betont Lukas Walser weiter. «Auf den Tafeln ist jeweils das genaue Gebiet eingezeichnet und der Standort, wo man sich gerade befindet, gekennzeichnet.» Die Zonen sind ruhig und friedlich. Man kann die Tiere sehen. Sie gehen an Orte, wo sonst der Mensch gerne ist. Gerade auch bei Hirschen ist das gut zu beobachten. Die Wildruhezonen sind auf elf Prozent der Kantonsfläche verteilt. Der Nationalpark miteingenommen. Tagtäglich sind die Wildhüterinnen und Wildhüter draussen unterwegs und beobachten die Tiere. Sie überwachen deren Gesundheit und überprüfen den Bestand. Übrigens ist es seit 2017 gesetzlich verboten, das Wild zu füttern. Hirsche, Rehe und Gämsen haben ihr Verdauungssystem auf die karge Winternahrung eingestellt. Nährstoffreiches Futter kann zu Verdauungsstörungen führen und veranlasst den Stoffwechsel, auf ein höheres Energieniveau zu schalten. Damit werden natürliche Sparmassnahmen ausser Funktion gesetzt. Das vermeintlich helfende Futter kann so zur tödlichen Falle werden. Wenn ein extrem strenger Winter herrscht und die Tiere in die Siedlungen gedrückt werden, gibt es ein Notfütterungskonzept. «Mittlerweile sind die Winter aber milder geworden», so Lukas Walser. «Das sehen wir an den jeweiligen Fallwildzahlen.»

Das Reh mag diesen Ort

Zurück in den Wald. Das Reh ist immer noch auf der Wiese am Waldrand zu sehen. In der Wildruhezone. Mit wenig Schnee und ohne Menschen. Hier kann es im Winter sein. Es fühlt sich sicher und ungestört. Es hat seine Ruhe. Das Reh mag diesen Ort.

Respektiere deine Grenzen

Die vier Leitsätze der Kampagne «Respektiere deine Grenzen» lauten:

1. Beachte Wildruhezonen und Wildschutzgebiete: Wildtiere ziehen sich dorthin zurück.

2. Bleibe im Wald auf den markierten Routen und Wegen: So können sich die Wildtiere an den Menschen gewöhnen.

3. Meide Waldränder und schneefreie Flächen: Sie sind die Lieblingsplätze der Wildtiere.

4. Führe Hunde an der Leine, insbesondere im Wald: Wildtiere flüchten vor freilaufenden Hunden.

www.respektiere-deine-grenzen.ch

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