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Gourmet oder Gefahr? Ein Blick ins Labor der Lebensmittelsicherheit in Chur

Von A wie Apfelkuchen bis Z wie Zitronensauce – im Labor der Bündner und Glarner Lebensmittelkontrolle wird die ganze Bandbreite an Esswaren analysiert.

Bündner Woche
14.04.25 - 04:30 Uhr
Graubünden

Von Andri Dürst

Ein Teller Tomatenspaghetti in der Kantine, ein Dürüm vom Döner um die Ecke oder ein herzhaftes Stroganoff aus dem Gourmettempel: Essen ist etwas Tolles. Doch halt! Der Geschmack ist nur die eine Seite der Medaille. Welche Qualität aber haben die Lebensmittel? Sind sie sicher oder gesundheitsgefährdend? Diesen Fragen geht das Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit Graubünden (ALT) nach. Wie das genau passiert, zeigt ein Einblick im Labor, das sich im Verwaltungsgebäude Sinergia in Chur befindet.

In der kantonalen Verwaltung gibt es viele spannende Funktionen. Zum Beispiel Kantonsbaumeister, Kantonsingenieur, Kantonstierarzt und Kantonschemiker. Letzteres treffen wir nun im modernen Gebäude. Matthias Beckmann führt uns durch die steril wirkenden Gänge, direkt in ein helles Labor. Dort zieht er einen weissen Kittel an. Einen solchen hat auch Nicole Battaglia an, die ebenfalls beim Rundgang dabei ist. Sie ist Laborleiterin und kennt die Abläufe bei der mikrobiologischen Analyse aus dem Effeff. Zusammen mit ihrem Team analysiert sie Proben von rund 3000 Gastrobetrieben der Kantone Graubünden und Glarus. Sieben Lebensmittelkontrolleuren und -kontrolleurinnen koordinieren dies. Will heissen, diese ALT-Angestellten besuchen die Restaurants und Hotels und entnehmen dort Proben, die dann gekühlt innerhalb eines bestimmten Zeitraums ins Labor nach Chur gebracht werden. «Unsere Kontrolle erfolgt risikobasiert, sprich, wir testen nur Lebensmittel, die bei unsachgemässer Zubereitung oder Lagerung schnell verderben können. Typische Beispiele sind vorgekochte Teigwaren, Gemüse, Reis, Suppen und Saucen sowie Salate und Aufschnitt», erklärt Matthias Beckmann. Zusätzlich können Betriebe im Rahmen der sogenannten Selbstkontrolle auch selber Proben beim ALT einschicken.

Im Labor zählt jedes Milligramm

Die Einsendungen würden auf verschiedene Keime analysiert. Nicole Battaglia zeigt, wie das geht und organisiert eine solche Probe. Eine Laborantin hat etwas ausgesucht: Ein Becher, der eine orange Sauce mit Pouletstückchen enthält. Diese löffelt die Laborantin nun in einen Beutel, der in einem speziellen Ständer aufgespannt ist. Darunter befindet sich eine Waage. «Wichtig ist, eine exakte Menge abzuwägen», merkt Nicole Battaglia an. Dass hier alles exakt geschehen muss, erfahren wir heute noch ein paar Mal.

Auch beim nächsten Schritt ist Genauigkeit gefragt. Und zwar wird die Sauce mit einer exakten Menge einer Anreicherungslösung verdünnt. Der Beutel wird daraufhin in einen sogenannten Labor-Homogenisator gegeben: ein Apparat, in dem zwei Metallplatten abwechselnd das Lebensmittel zerquetschen. «So lösen wir alles, was an Keimen drin ist, heraus», weiss Matthias Beckmann. Auch die Zeit, während der der Beutelinhalt zerquetscht wird, muss exakt stimmen. Nun sieht er zwar alles andere als appetitlich aus, doch für die Beprobung hat er nun die richtige Konsistenz. Nicole Battaglia greift zu einem langen Stab, der mit Plastik umhüllt ist. «Das ist eine sterile Pipette», erklärt sie und packt das Instrument aus. Dann hält sie die Spitze in den Beutel und entnimmt ihm – wie könnte es anders sein – eine exakte Menge Flüssigkeit. Diese gibt sie dann in ein Reagenzglas. Nicole Battaglia nimmt nun ein kleines Gefäss – eine sogenannte Petrischale – hervor, das von einer gelblichen Schicht überzogen ist. «Das ist Agar, also ein Nährmedium», erklärt sie. Auf dieses Agar gibt sie nun eine exakte Menge der Probe. Das Gröbste hat die Sauce nun überstanden.

Nährmedium: Die Petrischalen werden mit Agar gefüllt, worauf  die Proben gedeihen können.
Nährmedium: Die Petrischalen werden mit Agar gefüllt, worauf die Proben gedeihen können.
Andri Dürst

Maschine vs. Mensch

Ab jetzt geht es gemächlicher weiter, denn nun warten einige Stunden im Brutschrank auf die Behälter. Brutschrank? Ja, so heisst das kühlschrankartige Gerät, in dem die Proben bei einer bestimmten Temperatur eine bestimmte Zeit lang gelagert werden – mehrere Stunden oder sogar mehrere Tage. So wird ein Klima geschaffen, in dem die Keime sich vermehren können. Ist die Zeit dort drin vorbei, gilt es ernst. Denn nun ist ersichtlich, welche Keime und wie viele davon die Proben enthalten. Um das zu ermitteln, ist ein gutes Auge gefragt: «Beim Zählen der Punkte verlassen wir uns trotz technologischer Fortschritte auf unsere erfahrenen Augen», sagt die Laborleiterin und gibt die Petrischale auf ein Gerät, das das Gefäss zum Leuchten bringt. «Hier können wir die Punkte besser sehen. Nun zählen wir die Punkte und wissen so, ob die Probe die Richtwerte über- oder unterschreitet.» Matthias Beckmann ergänzt, dass die Richtwerte vom Branchenverband Gastrosuisse festgelegt worden seien. Bei gewissen Keimen sei ein hoher Wert nicht automatisch ein Kriterium, dass die beprobte Speise gesundheitsgefährdend ist. Gefährlich werde es aber bei pathogenen Keimen, also solchen, die krank machen. Salmonellen und Listerien sind wohl die bekanntesten Vertreter.

Ruhezeit: Im Brutschrank verbringen die Proben nun einige Stunden.
Ruhezeit: Im Brutschrank verbringen die Proben nun einige Stunden.
Andri Dürst

Dank moderner Technik ist es auch möglich, innert Sekundenschnelle herauszufinden, welche Keime denn nun wo zu finden sind. Hierzu besitzt das Labor ein hochmodernes Gerät, ein sogenanntes Massenspektrometer. Dieser wird für die eindeutige Identifizierung von positiven Proben genutzt.

Wenn es brenzlig wird

Doch was passiert nun, wenn die Angestellten im Labor bedenkliche Ergebnisse erhalten? Dann werde der betroffene Betrieb aufgefordert, Verbesserungen einzuleiten. Auch Nachproben würden dann erfolgen, erklärt der Kantonschemiker. Sollte die Gesundheit der Gäste unmittelbar gefährdet sein, kann das ALT auch die Schliessung eines Betriebs anordnen. «Das war vor einigen Jahren das letzte Mal der Fall. Es handelte sich dabei um eine Ausflugsbeiz. Da lag einiges im Argen.» Nach einer Schliessung hätten es die Verantwortlichen selber in der Hand, wann ihr Betrieb wieder aufgehen kann. «Sobald die Gastronominnen oder Gastronomen die Mängel behoben haben, können sie uns aufbieten. Wir schauen uns den Betrieb dann an und entscheiden, ob wir ihn wieder freigeben können.» Das ALT kann jedoch nicht nur Schliessungen verfügen, sondern auch Gemeinden nahelegen, fehlbaren Restaurantbetreibern oder -betreiberinnen die Gastwirtschaftsbewilligung zu entziehen.

Ein «Käferfest»: In den Petrischalen zeigt sich, wo wie viele Keime gewachsen sind. Bei den im Bild gezeigten Proben handelt es sich im Ringversuchsproben, sie sind nicht echt.
Ein «Käferfest»: In den Petrischalen zeigt sich, wo wie viele Keime gewachsen sind. Bei den im Bild gezeigten Proben handelt es sich im Ringversuchsproben, sie sind nicht echt.
Andri Dürst
Genaues Hinschauen gefragt: Auf der beleuchteten Petrischale müssen nun die Punkte gezählt werden.
Genaues Hinschauen gefragt: Auf der beleuchteten Petrischale müssen nun die Punkte gezählt werden.

Nun interessieren uns aber noch einige Zahlen: Wie gut halten die Bündner und Glarner Betriebe die Hygienevorschriften ein? Ein Blick in den Jahresbericht 2023 zeigt: Von 1022 Proben, die in 258 Gastronomiebetrieben entnommen worden waren, erfüllten 77,4 Prozent die Vorgaben. In 30 Betrieben wurden daraufhin Nachkontrollen durchgeführt. Von diesen 91 Proben erfüllten 63,7 Prozent die Vorgaben. Werte, die für Matthias Beckmann noch nicht optimal sind. «In der Gastronomie arbeiten immer öfters ungelernte Mitarbeitende, zudem gibt es viele Personalwechsel. Das erschwert es, eine gute Verfahrenspraxis einzuhalten.» So kann er auch nicht einen typischen Grund nennen, wieso es immer wieder zu mangelhaften Verhältnissen kommt. «Schlussendlich scheitert es meist daran, dass Abläufe nicht eingehalten und zu wenig kontrolliert werden», so sein Fazit. Und sollte man als Gast mal den Verdacht haben, ein Restaurant arbeite unsauber, könne man sich auch beim ALT melden. Denn zu einem guten Essen gehört nicht nur der feine Geschmack, sondern auch ein gutes Gefühl, dass die Speisen unbedenklich sind.

Weitere Informationen gibt es auf www.alt.gr.ch

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