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Handwerk, Herz und Holz: Die Werkstatt im Churer Hofgraben begeistert

Die Werkstatt im Hofgraben ist eine offene Werkstatt im Herzen von Chur – wer dem Verein beitritt, kann dort rund um die Uhr werken. Ein Streifzug zwischen wackelnden Stühlen, knarrenden Hockern und kreativen Holzideen.

Bündner Woche
11.01.25 - 04:30 Uhr
Graubünden
Über der Veloremise beheimatet: Die Werkstatt im Hofgraben befindet sich auf dem Areal Planaterra 11.
Über der Veloremise beheimatet: Die Werkstatt im Hofgraben befindet sich auf dem Areal Planaterra 11.
Andri Dürst

Von Susanne Turra

Jonathan Schatzmann schlägt einen Nagel ins Stuhlbein. Er hämmert, leimt, feilt, flickt. Fertig. Dann dreht er den Holzhocker langsam herum und begutachtet ihn von allen Seiten. Tipptopp. Der Stuhl wackelt nicht mehr. Und er bekommt im benachbarten Kulturpunkt wieder seinen Platz am langen Tisch. Jonathan Schatzmann ist zufrieden. Ruth-Nunzia Preisig und Hansjörg Bhend sind es auch. Die drei sind im Vorstand des Vereins Werkstatt im Hofgraben. Und momentan gleich ein bisschen gemeinsam am Werken. Doch der Reihe nach.

Konzentriert: Jonathan Schatzmann flickt den Holzhocker aus dem Kulturpunkt.
Konzentriert: Jonathan Schatzmann flickt den Holzhocker aus dem Kulturpunkt.
Andri Dürst

Es riecht nach Holz

Es riecht nach Holz und es ist kühl, an jenem Dienstagvormittag in der Werkstatt im Hofgraben in Chur. Sie ist auf dem Areal Planaterra 11 beheimatet und seit Kurzem eröffnet. Genau genommen ist sie im Obergeschoss der Remise zu finden, wo Reto Minsch im Erdgeschoss sein Velogeschäft eingerichtet hat. Die Idee des Ganzen entsteht nach und nach. Und vor rund zweieinhalb Jahren, exakt am 18. Mai 2022, wird dazu ein Verein gegründet. Seither wird die Werkstatt von der Wohnbaugenossenschaft «bainviver-chur» gemietet. Mittlerweile zählt der Verein 40 Mitglieder. Und es sollen noch mehr werden. Denn: «Wir möchten als Verein selbsttragend sein», betont Vorstandsmitglied Ruth-Nunzia Preisig. «Wir hatten grossartige Unterstützung. Und so hatten wir zwei Jahre Zeit für die Einrichtung der Werkstatt bis zur Eröffnung.» Dazu gleich ein bisschen Geschichte. Das Haus Planaterra 11 steht seit 1911. Zuerst wurde das Gebäude während Jahrzehnten als Musterschule genutzt und später, ab dem Jahr 2000, wurde es hauptsächlich als kantonales chemisches Labor vom Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit genutzt. Heute hat sich der Platz am Rande der Altstadt mit der Wohnbaugenossenschaft «bainviver-chur» an der Spitze zu einem Wohn-, Arbeits- und Lebensraum entwickelt.

Bereit: Das Werkzeug an der Wand.
Bereit: Das Werkzeug an der Wand.
Andri Dürst

Rund um die Uhr

Zurück in die Werkstatt. «Früher war hier einfach ein leerer Raum», erzählt Vereinspräsident Hansjörg Bhend. «Eine Lagerstätte für Chemikalien des chemischen Labors.» Heute präsentiert sich der Raum als vollständig eingerichtete Werkstatt mit elektrischen Geräten, Werkzeugen und allerlei Kleinteilen. «Das ist alles zusammengekommen und gespendet worden», so Vorstandsmitglied Jonathan Schatzmann. «Wir haben nichts Neues gekauft.» Das ist auch die Philosophie des Ganzen. Und die Idee ist einfach: Wer Holz oder ein anderes Material bearbeiten möchte, wird Vereinsmitglied und bekommt eine Einführung. Danach kann es losgehen. Mit einem Code kann die Werkstatt jederzeit geöffnet werden. Es kann also rund um die Uhr selbstständig gewerkt werden. Das macht Sinn, denn die Anzahl der Werkplätze ist beschränkt. Und auch der Lagerplatz ist begrenzt. Für ganz grosse Objekte kann es schon mal eng werden. Da muss man vorwärtsmachen können. «Hier ist ja auch kein Wohnraum», erklärt Ruth-Nunzia Preisig. Trotzdem. «Die ganz lauten Arbeiten sollten schon eher auf den Tag gelegt werden.»

Kritischer Blick: Ruth-Nunzia Preisig begutachtet das Treiben in der Werkstatt.
Kritischer Blick: Ruth-Nunzia Preisig begutachtet das Treiben in der Werkstatt.
Andri Dürst

Kursleiterinnen und Kursleiter gesucht

Natürlich gibt es bei einem solchen Projekt auch Spielregeln. Das Werkzeug in der Werkstatt kann frei benutzt werden. So auch kleine Restposten an Holz. Ansonsten ist das Material selber mitzubringen. Für die Benützung der Maschinen muss ein kleiner Beitrag geleistet werden. Für Stromkosten, Reparaturen und Ersatzteile. «Wir sind erst am Anfang», sagt Hansjörg Bhend. «Und so gibt es während des Betriebs immer wieder Anpassungen und Verbesserungen.» Und es gibt Vorschriften. Die Sicherheit steht an oberster Stelle. Und die Versicherung ist Sache der Benutzenden. Die Werkenden arbeiten selbstständig und in eigener Verantwortung. Weiter bringt eine Holzwerkstatt auch einige Herausforderungen mit sich. «Man muss den Staub ertragen können», weiss Ruth-Nunzia Preisig aus eigener Erfahrung. Und so ist es auch wichtig, die Werkstätte jeweils wieder sauber zu verlassen. Übrigens sollen in der Werkstatt künftig auch Kurse angeboten werden. Und so werden laufend Kursleiterinnen und Kursleiter gesucht. Gerne auch Seniorinnen und Senioren. Sie sollen leichte Holzarbeiten anleiten können.

Vom Arzt zum Handwerker: Hansjörg Bhend fühlt sich in der Werkstatt wohl.
Vom Arzt zum Handwerker: Hansjörg Bhend fühlt sich in der Werkstatt wohl.
Andri Dürst

«So lernt man arbeiten»

Es geht gegen Mittag. Jonathan Schatzmann flickt und werkt immer noch. Die Arbeit geht nicht aus. Und das ist gut so. «Ich bin Praktiker und Theoretiker», erzählt der gelernte Hochbauzeichner und schmunzelt. «Ich habe schon Kaninchenställe gebaut, als ich noch zur Schule ging. Wir haben von klein auf zu Hause mitangepackt. So lernt man arbeiten.» Derweil macht sich Hansjörg Bhend an seiner grossen Modelleisenbahn in der Ecke zu schaffen. «Von Berufs wegen bin ich kein Praktiker», verrät er. «Ich war Arzt. Aber mein Vater war Schreiner. Und so haben wir immer etwas gewerkt.» Durch seine Leidenschaft für die Modelleisenbahn ist er zum Werkstattmitglied geworden. Und Ruth-Nunzia Preisig? «Mein beruflicher Hintergrund ist das Malatelier, das ich fast 40 Jahre lang geführt habe», betont sie. Hier in der Werkstatt macht sie, was sie dort gemacht hat: Öffentlichkeitsarbeit und Protokolle schreiben.

So. Der letzte Nagel ist eingeschlagen. Das Werkzeug versorgt. Der Boden kurz gewischt. In der Werkstatt ist es immer noch empfindlich kühl. Zeit für einen heissen Kaffee oder Tee im Kulturpunkt nebenan. Die geflickten Stühle dürfen gleich mit. Ebenso eine kleine Weihnachtsüberraschung für die Bar. Ein Holzgestell für Gläser und Tassen.

Bis ins kleinste Detail: Hansjörg Bhend baut leidenschaftlich an seiner Modelleisenbahn und findet so in die Werkstatt.
Bis ins kleinste Detail: Hansjörg Bhend baut leidenschaftlich an seiner Modelleisenbahn und findet so in die Werkstatt.
Andri Dürst

Kaffee im Kulturpunkt

Es passt. Man spürt das Miteinander auf dem ganzen Areal. Das Zusammenspiel zwischen Planaterra 11, Bainviver, Kulturpunkt, Veloremise und Werkstatt. Doch wie läuft das eigentlich? Kommt der Kulturpunkt jeweils auf die Werkstatt zu, wenn ein Stuhl wackelt? «Das müssen sie gar nicht», verrät Ruth-Nunzia Preisig und lacht. «Das merken wir von alleine, wenn wir uns drüben zum Kaffee auf die Stühle setzen.»

Der Verein Werkstatt im Hofgraben lädt am 14. Januar, von 18 bis 20 Uhr, und am 18. Januar, von 11 bis 14 Uhr zur offenen Werkstatt. Informationen unter www.werkstatt-im-hofgraben.ch

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