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Rauchende Kinder?! Das dachte sich unser Fotograf, als er zum ersten Mal ein Fridolinsfeuer besuchte

Ein Bub mit Zahnlücke zieht an einer Zigarette, Eltern schauen gelassen zu. Ein Anblick, der unseren Fotografen Sasi Subramaniam überraschte – und wie er bald merkte, nicht nur ihn.

Sasi
Subramaniam
05.03.25 - 04:30 Uhr
Glarus

In Schwanden, wo sich das Glarnerland zweiteilt, fotografierte ich 2015 mein erstes Fridolinsfeuer. Damit gedenken die Glarnerinnen und Glarner ihres Kantonsheiligen, Sankt Fridolin. Die Fotos machte ich für ein Buch über Glarner Bräuche. Die Autorin begleitete mich.

Es war eiskalt und die Kinder wärmten sich am Feuer. Ihre Eltern hielten sich im Hintergrund. Nachdem ich erste Fotos geschossen hatte, fiel mir ein Bub auf, der an einer Zigarette zog. Er war vielleicht sechs Jahre alt und hatte eine Zahnlücke. Während der Holzhaufen langsam abbrannte, sah ich immer mehr Buben und Mädchen, die Zigaretten, Stumpen und Zigarillos rauchten. So etwas hatte ich noch nie gesehen: Marlboromännchen.

Eine Frage des Respekts

In Sri Lanka wäre so etwas undenkbar. Ich habe selber über zwanzig Jahre lang geraucht. Aber meine Eltern haben mich noch nie mit einer Zigarette im Mund gesehen. Wir rauchen nicht vor unseren Eltern, das ist eine Frage des Respekts.

Ich fragte die Autorin des Buchs, warum all diese Kinder rauchten. Sie erklärte mir, dass die Kinder das an diesem einen Tag dürfen. Das war schon immer so – viele Glarner Raucher zündeten an einem Fridolinsfeuer ihre erste Zigarette an. Und viele Nichtraucher ihre letzte.

Schon Wochen zuvor sammeln und erbetteln die Schulkinder Holzreste. Am Fridolinstag schwingen die Jugendlichen brennende Fackeln und tanzen um das Feuer herum.
Archivbild Sasi Subramaniam

Als ich die Fotos der rauchenden Kinder an der Journalistenschule MAZ zeigte, reagierten meine Mitstudentinnen und Mitstudenten sowie der Dozent gleich verdutzt wie ich zuvor. Das war also auch in der Schweiz exotisch.

Nicht überall gibt es Zigaretten für die Kinder

2017 ging ich wieder ans Fridolinsfeuer, nach Matt, das etwas weiter hinten im Tal liegt. Dieses Mal war ich speziell angereist, um die rauchenden Kinder zu porträtieren. Doch der Chef am Platz sagte mir, dass es nicht infrage komme, dass die Kinder rauchen.

Ich packte sofort meine Sachen zusammen und ging wieder nach Schwanden. Hier schoss ich im Schneefall die Bilder dieser Reportage. Die Jüngeren hatten eine Riesenfreude und bliesen mir den Rauch in die Linse. Die Zigaretten bekommen die meisten von ihren Eltern. Manche der Mädchen und Jungen hatten sogar E-Zigaretten. Später fragte ich die Eltern, ob sie etwas dagegen hätten, die Bilder ihrer rauchenden Kinder zu veröffentlichen. Niemand sagte Nein.

Ich habe zwei Kinder. Am Fridolinsfeuer würde ich sie rauchen lassen. Sonst nicht.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien erstmals im Medienmagazin «Edito» im Jahr 2017. Aus aktuellem Anlass haben wir ihn leicht angepasst und publiziert.

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