Nichts als Strassen und Schienen im Tiefenwinkel: Die Mühlehornerinnen und Mühlehorner wollen wenigstens die Eisenbahn weghaben
Seit Jahrzehnten wartet der letzte einspurige Kilometer Eisenbahn zwischen Zürich und Chur auf den Ausbau. Jetzt sagen die Mühlehornerinnen und Mühlehorner: Ab in den Berg damit!
Seit Jahrzehnten wartet der letzte einspurige Kilometer Eisenbahn zwischen Zürich und Chur auf den Ausbau. Jetzt sagen die Mühlehornerinnen und Mühlehorner: Ab in den Berg damit!

Aus viel mehr als Strassen besteht der Tiefenwinkel in Mühlehorn an der Grenze zum Kanton St. Gallen nicht. Die Autobahn samt Ein- und Ausfahrten und die Kerenzerbergstrasse führen über den Schuttkegel des Rötibaches, der dort in den Walensee fliesst. Und auch die Eisenbahnlinie Zürich-Sargans schlängelt sich durch das Gelände. Oder wie es die IG Mühlehorn-Walensee ausdrückt: «Der Ortsteil Tiefenwinkel präsentiert sich gegenwärtig arg verunstaltet durch ein Geflecht von Autobahn mit verschlungenem Anschluss, Brücken, Kantonsstrasse und Bahntrassee.»
Die IG sieht die Chance, dass wenigstens das Bahntrassee einmal aus dem Tiefenwinkel verschwindet. Und zwar dann, wenn der letzte einspurige Eisenbahnkilometer zwischen Zürich und Chur dereinst einmal auf Doppelspur ausgebaut wird. «Dies ergibt Möglichkeiten für ungeahnte Qualitätssteigerungen des Gebiets im Bereich von Wohnen, sanftem Tourismus und Naherholung», so die IG in einer Medienmitteilung.
Seit 40 Jahren in der Planung
Östlich des Bahnhofs Mühlehorn wird die SBB-Strecke einspurig und führt dann über relativ enge Kurven durch den Tiefenwinkel. Nachher wird die Strecke wieder zweispurig. Die Einspurstrecke ist nur etwa einen Kilometer lang, aber ein Flaschenhals auf der Strecke von Zürich nach Sargans und weiter nach Chur oder in Richtung Österreich. Schon im Konzept «Bahn 2000» von 1985 war vorgesehen, diesen Flaschenhals auf zwei Spuren auszubauen. Der Rest der Strecke Zürich-Chur ist davor und danach über Jahrzehnte auf Doppelspur ausgebaut worden. So ist etwa der zweispurige Kerenzerbergtunnel zwischen dem Gäsi und Mühlehorn schon 1960 eröffnet worden.

In den 40 Jahren seit dem «Bahn 2000»-Konzept ist der Ausbau im Tiefenwinkel aber ein Wunschtraum der Ostschweizer Kantonsregierungen geblieben. Der Doppelspurausbau Tiefenwinkel–Mühlehorn taucht immer wieder in den Verlautbarungen der Glarner Regierung zum Ausbau des Schienennetzes als Forderung auf.
Dass Handlungsbedarf besteht, weiss man auch beim Bund. So haben vor einem Jahr die eidgenössischen Räte einen Planungskredit für die Doppelspur gesprochen. Wann die Strecke tatsächlich ausgebaut wird, steht aber in den Sternen. Bis es so weit ist, bummeln die Hochgeschwindigkeitszüge von und nach Wien dem Walensee entlang.
Das Seeufer entlasten
Die IG Mühlehorn-Walensee, die sich in den vergangenen Jahren etwa auch für die Überdachung der Autobahn in Mühlehorn stark gemacht hat, hat jetzt eine Idee ausgegraben. Sie schlägt vor, nicht einfach ein zweites Gleis mehr oder weniger auf dem heutigen Trassee durch den Tiefenwinkel zu bauen, sondern die Eisenbahnlinie östlich von Mühlehorn in einem Tunnel verschwinden zu lassen, sie in diesem Tunnel hinter dem Tiefenwinkel hindurchzuführen und erst vor Murg wieder an die Oberfläche treten zu lassen. Zweieinhalb Kilometer Seeufer könnten damit vom Eisenbahnverkehr entlastet werden, so die IG.

Die Variante mit dem langen Tunnel ist laut der Glarner Baudirektion schon für die «Bahn 2000» einmal geprüft worden. Die IG hat diese Idee jetzt wieder aufgegriffen und ist damit beim Glarner Baudirektor Thomas Tschudi und beim Gemeindepräsidenten von Glarus Nord, Fritz Staub, vorstellig geworden, wie IG-Mitglied Ulrich Knoepfel aus Mühlehorn erklärt.
Ob die Chancen für den Tiefenwinkel-Tunnel steigen, wenn jetzt Projekte wie die schnelleren Verbindungen zwischen Winterthur und St. Gallen, zwischen Lausanne und Bern, zwischen Zürich und Aarau sowie die Tiefbahnhöfe Luzern und Basel auf dem Spiel stehen, ist allerdings fraglich. Ulrich Knoepfel sagt: «Wir wollen uns frühzeitig einbringen und dafür sorgen, dass wir nicht vergessen gehen.» Das Echo beim Glarner Baudirektor Thomas Tschudi sei auf jeden Fall positiv gewesen. «Versprechen konnte er natürlich nichts», sagt Knoepfel.
Der Bahnhof Mühlehorn soll bleiben
Auch gleich noch Mühlehorn vom Eisenbahntrassee befreien und in einem Tunnel umfahren, möchte die IG aber nicht. «Der Bahnhof Mühlehorn ist der Mobilitäts-Hub für den Kerenzerberg und allenfalls auch Murg», sagt Ulrich Knoepfel. Er soll deshalb erhalten bleiben. Die IG findet aber, die Strecke könnte bergwärts verlegt und mit einem Dach versehen werden. Damit würden drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Weniger Lärm für das Dorf, höhere Tempi für durchfahrende Züge dank einer gestreckten Linienführung und der Gewinn von zusätzlichem attraktivem Land am See.
Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert. Mehr Infos
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