×

Drei Mythen zur Zeitumstellung: Wir machen den Faktencheck im Kanton Glarus

Stromsparen, Mini-Jetlag und verwirrte Kühe: Wir haben im Glarnerland nachgeforscht, was an drei Mythen rund um die Zeitumstellung wirklich dran ist.

Ueli
Weber
23.10.25 - 04:30 Uhr
Glarus
SOMMERZEIT, WINTERZEIT, ZEITUMSTELLUNG, KUH, KUEHE, STALL, WECKER,
Hat nur der Bauer mit der Zeitumstellung Mühe oder auch die Kühe?
Bild Keystone

von Ueli Weber und Daniel Fischli

Spart die Zeitumstellung im Glarnerland tatsächlich Strom?

Die Sommerzeit wurde 1981 in der Schweiz eingeführt, um das Tageslicht besser zu nutzen. Die Idee: Wenn es abends länger hell ist, braucht es weniger Licht für die Beleuchtung der Strassen und Häuser. Heute wird durch die Zeitumstellung im Glarnerland aber kaum Strom eingespart.

Marco Mini ist Geschäftsführer der Technischen Betriebe Glarus Nord. Wenn er den Stromverbrauch vor und nach der Zeitumstellung ansieht, erkennt er keinen Unterschied. «Die Stromverbrauchsprofile sind praktisch unverändert. Sie verschieben sich zeitlich lediglich um eine Stunde», sagt Mini. «Die Einsparung an Energie aus der Zeitumstellung ist entsprechend marginal.»

Sieht keine Ersparnis: Marco Mini, Geschäftsführer der Technischen Betriebe Glarus Nord, erklärt, warum die Zeitumstellung kaum noch Einfluss auf den Stromverbrauch hat.
Pressebild Technische Betriebe Glarus Nord

Als einen Grund nennt Mini die effizienteren Lampen, die heute im Einsatz sind. «Gegenüber damals machen heute Beleuchtungen nur noch einen kleinen Teil des Gesamtstromverbrauchs aus – dank energieeffizienter LEDs zu Hause oder in der Strassenbeleuchtung in Glarus Nord.»

Bekommen wir tatsächlich einen Mini-Jetlag?

Die Zeitumstellung bringt uns Menschen wirklich für eine Weile durcheinander, sagt Sebastian Nowag. Er ist Leitender Arzt Medizin und Akutgeriatrie am Kantonsspital Glarus. «Unsere innere Uhr, also der Schlaf-Wach-Rhythmus, bleibt zunächst auf ‹alter Zeit›, während die Uhrzeit von aussen plötzlich springt», erklärt Nowag. «Dieses Auseinanderlaufen fühlt sich ähnlich an wie nach einem Flug über eine Zeitzone: ein kleiner Jetlag.» Mögliche Folgen: Schlafprobleme, Müdigkeit, Reizbarkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten.

Licht sei der stärkste Taktgeber für den Körper, da es die Produktion des Schlafhormons Melatonin steuere, sagt Nowag. Mit der Zeitumstellung änderten sich plötzlich Licht- und Tageszeiten. «Gewohnheiten wie Essenszeiten, Sport, Arbeit oder Kinderbetreuung bleiben erst mal auf altem Rhythmus.»

«Wie nach einem Flug über eine Zeitzone»: Sebastian Nowag, Leitender Arzt am Kantonsspital Glarus, beschreibt die körperlichen Auswirkungen der Zeitumstellung – und gibt Tipps, wie man sie abfedern kann.
Pressebild Kantonsspital Glarus

Sein Tipp: Bereits drei bis vier Tage vor der Umstellung mit der Anpassung beginnen. Im Frühling bedeutet das: eine Viertelstunde früher ins Bett und eine Viertelstunde früher aufstehen. Im Herbst entsprechend später. Direkt nach der Umstellung empfiehlt Nowag, früh Tageslicht zu tanken – etwa mit einem Spaziergang. Abends hingegen: Bildschirme dimmen und helles Licht vermeiden. Ausserdem helfe es, die neue Zeit beim Aufstehen, Essen und Zubettgehen konsequent einzuhalten, um sich schnell daran zu gewöhnen.

«Für die meisten ist der Frühling schwieriger», erklärt Nowag. «Der Körper muss früher müde werden und früher wach sein, was ihm natürlicherweise schwerfällt. Der Herbst ist meist leichter, weil ‹später ins Bett und später aufstehen› unserer inneren Tendenz entgegenkommt.» Das liege daran, dass die innere Uhr des Körpers im Schnitt ein bisschen länger als 24 Stunden tickt.

Haben die Kühe tatsächlich Mühe mit der Zeitumstellung?

Weiss, wie Kühe ticken: Landwirt Ruedi Schmid aus Glarus erzählt, wie seine Tiere auf die Zeitumstellung reagieren – und warum sie sich schnell wieder anpassen.
Bild Sasi Subramaniam

Bauer Ruedi Schmid aus Glarus nimmt die Zeitumstellung gelassen: «Man hat sich daran gewöhnt», sagt er. Und offenbar nehmen auch seine Kühe die Zeitumstellung gelassen. Schmid sagt zwar: «Die Kühe haben ihren Rhythmus, sie wollen immer zur gleichen Zeit gemolken werden.» In den ersten Tagen der Sommerzeit, wenn er für die Kühe eine Stunde zu früh in den Stall komme, würden sie am Morgen noch liegen und er müsse sie aufscheuchen. «Und am Anfang der Winterzeit, wenn ich zu spät komme, stehen sie schon Schlange und wollen gemolken werden.» Aber nach ein paar Tagen hätten sie den neuen Rhythmus intus. «Es ist wie bei uns Menschen», sagt Ruedi Schmid. Auf die Milchmenge habe die Zeitumstellung übrigens keinen Einfluss: «Eine Kuh gibt über 24 Stunden eine bestimmte Menge Milch. Da spielt es keine grosse Rolle, ob ich sie eine Stunde früher oder später melke», so Schmid.

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland. Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Könnte euch auch interessieren
Mehr zu Glarus MEHR
prolitteris